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Beitrag 58 von 912 (6%)
Autor
Thomas Kujawa
Datum
27.10.03, 12:40
Betreff
"Da könnte ich mich vergessen und einfach zuschlagen"
Pressebericht aus den "Dresdner Neuste Nachrichten", vom 10. Oktober 2003
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"Dresdner Neuste Nachrichten", 10. Oktober 2003
"Da könnte ich mich vergessen und einfach zuschlagen"
Dresden. Hans-Jürgen Mertha war Polizist. Viele Jahre lang, von 1967 bis
1994, und aus Überzeugung. Er hat die Kriminalpolizei Bautzen und Görlitz
geleitet, im Landeskriminalamt in Dresden war er von 1990 bis 1994 Leiter
Vorbeugende Verbrechensbekämpfung. "Nie hätte ich mir vorstellen können,
dass ich mal Gleitcreme und Kondome an Acht- und Zehnjährige verteile, damit
sie sich und ihre Freier vor ansteckenden Geschlechtskrankheiten schützen
können", sagt er. Doch jetzt nennt der 55-Jährige seine Tätigkeit
"Akzeptierende Sozialarbeit".
Akzeptierend: Dass Kinder anschaffen gehen, um ihre Familien zu ernähren.
Akzeptierend: Dass sie viel zu jung sind, man sie eigentlich packen und in
eine ordentliche Schule stecken möchte. Akzeptierend: Dass fette mittelalte
Deutsche mit ihren teuren Autos vorfahren und ein Verbrechen begehen.
Akzeptierend: Dass die Polizei nicht eingreift. Akzeptierend: Dass Armut so
heftig sein kann, dass Eltern ihre eigenen Kinder auf den Strich schicken.
Eigentlich hatte Hans-Jürgen Mertha seinen Job als Polizist aufgegeben, um
parlamentarischer Berater im Landtag zu sein. Rechtsfragen,
Verfassungsfragen, Innenpolitik - für die PDS-Fraktion, obwohl er selber
nicht Parteimitglied ist, wie er sagt. Eigentlich füllt den Leipziger diese
Arbeit auch von früh bis spät aus. 1999 fiel ihm ein Schreiben des
Sozialprojekts "Karo" in Plauen in die Hände. Etwas von einem
"grenzüberschreitenden Sozialprojekt in Prostitutionsszenen in der
Euroregion Egrensis" stand da, und dass sie bitten, die ihnen vom Land
gestrichenen Gelder noch einmal zu überdenken. "Dabei hatte ich an ein
Frauen- oder Jugendhaus gedacht", sagt Mertha. Die Frauen, die dort
arbeiten, haben ihn dann mal mitgenommen, eine Nacht auf die Straßen von
Cheb, kurz hinter der Tschechischen Grenze. "Was ich da gesehen habe, hat
mich total geschockt", sagt er. Die Gesichter der Kinder hat er nie
vergessen.
"Letztens erst hat mir eine Frau ein dreijähriges Kind angeboten", meint
Mertha. Da sei ihm schlecht geworden. Zwar wird es offiziell oft bestritten,
aber Familienmitglieder bieten in Cheb auch ganz kleine Kinder zum
Geschlechtsverkehr an", berichtet der Ex-Polizist. Wenn er dann noch die
deutschen Freier sieht, möchte er sich vergessen. "einfach zuschlagen möchte
man dann", sagt er. Oder festnehmen, einfach alle festnehmen.
Nur wäre damit das Problem nicht gelöst. Weil das das Elend nicht bekämpft,
und Elend Elende hervorbringt, die zu allem bereit sind. Deswegen hat er mit
zehn Gleichgesinnten einen Verein gegründet. Der nennt sich "Über Grenzen
e.V." und leistet für verschiedene Hilfsorganisationen logistische,
bürokratische und finanzielle Unterstützung. Neben "Karo" kooperieren sie
mit "Marita P." in Cheb, "Kobra" in Zittau und "Sance" (Chance gesprochen),
einem Projekt für Stricherjungen am Prager Hauptbahnhof. "Die eigentliche
Arbeit leisten die Frauen dieser Organisationen vor Ort", sagt Mertha. "Wir
hier schauen bloß, wie wir sie dabei unterstützen können". Aber einmal in
der Woche setzt er sich ins Auto und fährt nach Tschechien. Dann läuft er
mit den Frauen mit und guckt, wie er helfen kann. Mit Medikamenten oder
sauberen Spritzen oder Decken. Oder etwas zu essen.
Doch wenn er schicke deutsche Autos mit dicken Männern und kleinen, etwas
verdreckten tschechischen Kindern sieht, dann schreibt er die Kfz-Nummern
auf und zeigt die Freier an. "Denn Deutsche können auch für im Ausland an
Kindern begangenen Sexualtaten in Deutschland belangt werden", weiß er. Das
sei einmal für die Sextouristen in Thailand eingeführt worden. "Und jetzt
haben wir die gleiche Situation direkt vor unserer Haustür".
Ortrun Albert
Spenden:
Sozialprojekt Karo
Verwendungszweck: Kinderschutzhaus Karo
K Nr.: 303 531 740
BLZ: 780 608 96
Raiffeisenbank Oelsnitz
Diskussionsverlauf:
Re: Da könnte ich einfach zuschlagen...
"Da könnte ich mich vergessen und einfach zuschlagen"
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