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Beitrag 625 von 912 (69%)
Autor
Ines Doberschuetz
Datum
10.06.05, 12:29
Betreff
Faustrecht im Kindergarten
Familie und Erziehung Familie >> Ratgeber >> KSTA.DE
Faustrecht im Kindergarten
VON ASTRID ADRIAN, 07.06.05, 07:06h
Aggression - für manche Kinder ist sie ein Ventil, um Probleme zu verarbeiten.
EXTERNE LINKS
www.papilio.de
www.faustlos.de
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Am Wochenende diskutierten Wissenschaftler in Köln über die Prävention kindlicher Verhaltensstörungen.
Jedes fünfte Kind im Kindergarten ist aggressiv oder verhaltensauffällig, sagen Wissenschaftler der Freien Universität Berlin. „Es sprechen immer mehr Untersuchungen dafür, dass es in Deutschlands Kindergärten härter zugeht“, weiß auch Professor Manfred Cierpka, Familienforscher und Leiter der Abteilung Psychosomatik an der Uniklinik Heidelberg, der am Samstag in Köln anlässlich des Kongresses „Prävention kindlicher Verhaltensstörungen“ das Projekt „faustlos“ vorstellte.
Als ein Beispiel nennt er die kleinen „Schikanierer“, die sich für jeden Schubser gleich an ihren Spielkameraden rächen müssten. Solches Verhalten sei schon ab dem zweiten Lebensjahr zu beobachten. „Es gibt schon mehr Kinder, die versuchen, Konflikte mit Fäusten und Füßen zu lösen, anstatt miteinander zu reden“, bestätigt Martina Budde, stellvertretende Leiterin der Kita „Wilde Wiese“.
Dabei sollten gerade Kinder ab drei Jahren Sozialverhalten und den gewaltfreien Umgang miteinander lernen. Was bis zum siebten oder achten Lebensjahr auf diesem Gebiet versäumt oder falsch übernommen wurde, ist später nur schwer nachzuholen oder zu korrigieren.
Mögliche Ursachen für Aggressivität unter Kindern sieht Andreas Hack, Leiter der Caritas Kindertagesstätte Romaney, in den Familien: „Oft ist es wie ein Spiegel der Situation zu Hause. Wenn dort Aggressionen an der Tagesordnung sind, dann brauchen die Kinder ein Stück weit solches Verhalten, um sich zu wehren - als eine Art Ventil.“
Bei solchen familiären Problemen bekämen die Erzieher wenig Unterstützung von den Eltern. Enge Wohnsituation, Arbeitslosigkeit und Armut, keine konstanten Erziehungspartner zählt Heidrun Mayer vom Präventionsprogramm „Papilio“ zu den Risikofaktoren. „Ich will damit aber kein pauschales Urteil fällen. Es gibt auch in intakten Familien Situationen und Lebensumstände, in denen Eltern mit der Erziehung überfordert sind.“ Daher werden bei „Papilio“ nicht nur Kinder und Pädagogen, sondern auch die Eltern miteinbezogen.
Das Programm, das das beta Institut in Augsburg in Kooperation mit der FU Berlin sowie den Universitäten Bremen und Augsburg entwickelt hat, richtet sich zudem nicht speziell an kleine Störenfriede oder Außenseiter, sondern an alle. Mit Unterstützung der „Papilio“-geschulten Erzieher sollen die Kinder lernen, mit ihren Bedürfnissen und Problemen in der Gruppe besser umzugehen. Gleichzeitig werden die Eltern über diese Maßnahmen regelmäßig informiert und für das Thema Prävention sensibilisiert. So erfahren sie, wie ihre Kinder mit Hilfe von „Paula und den Kistenkobolden“ Gefühle wie Trauer, Zorn, Angst und Freude verstehen lernen. Damit können die Kleinen leichter über ihre Gefühle reden und auf die Emotionen anderer eingehen. Die „Augsburger Puppenkiste“ hat die Geschichte als Hörspiel inszeniert, für die Eltern gibt es dazu ein Vorlesebuch.
Beim „Meins-deinsdeins-unser-Spiel“ geht es um soziale Regeln wie sich gegenseitig helfen oder einander zuhören. Gemeinsam schneller ans Ziel kommen heißt hier die Devise. Das Gewinner-Team darf sich etwas wünschen, das allen Kinder zugute kommt wie das Vorlesen einer Geschichte. „Für uns ist wichtig, dass die Kinder dieses Verhalten bewusst lernen. Wenn sie die sozialen Regeln sicher beherrschen, werden sie auch in der Schule besser zurechtkommen“, betont „Papilio“-Expertin Heidrun Mayer.
Obwohl die wissenschaftliche Auswertung des Modellversuchs noch läuft, bemerken Erzieherinnen schon positive Effekte: Aggressive Kinder finden neue Wege, mit ihrer Wut umzugehen, Außenseiter lassen sich besser in die Gruppe integrieren, Eltern zeigen sich auf den Infoabenden überdurchschnittlich interessiert. Im Herbst soll „Papilio“ auch in NRW verstärkt angeboten werden.
Neben „Papilio“ gibt es noch andere Präventionsprogramme wie zum Beispiel „faustlos“, die an Schulen begonnen haben und sich mittlerweile auch an Kindergärten richten. Iris Schäfer, Leiterin der Kita Quirlsberg in Bergisch Gladbach, freut sich über solche Fortbildungsmöglichkeiten: „Es ist schließlich ein langer Prozess, Kindern beizubringen, dass Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen sind. Und manche haben es bis zur Schule nicht gelernt.“
Literatur:
Koll, Lea Regine: „Weil Hauen nicht weiterhilft. Spiele und Aktio nen zur Konfliktregelung“, Herder Verlag 2004, 9,90 Euro.
Quelle:
www.ksta.de
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