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Autor Jens Rehde
Datum 20.12.03, 07:30
Betreff Traditionelles Weihnachten?


Quelle: http://www.eltern.de/familie_erziehung/familienleben/heile_welt.html?special


Traditionelles Weihnachten?
Vanilleduft und Lametta, Girlanden aus Goldpapier, selbst gebackene Plätzchen und Adventskalender - all diese traditionellen Zutaten eines bürgerlichen Weihnachtsfestes sind meiner fünfjährigen Tochter Sunny wohl vertraut. Dass eigentlich das Jesuskind die Hauptrolle bei dieser Feier spielen sollte, ist ihr allerdings nicht wirklich klar. Und dass sie auf den Papa unterm Tannenbaum verzichten muss, das nimmt sie einfach hin. Wir feiern mit meinen Freunden und deren Kindern - erst ein Ausflug in den Wald, dann ein ausgedehntes Abendessen und anschließend die Bescherung.
Jesuskind und heilige Kleinfamilie: Diese beiden Elemente standen in unserer Kindheit noch im Mittelpunkt des Festes. Doch Alltagsrealität und religiöse Überzeugung von immer mehr Eltern haben immer weniger zu tun mit den traditionellen Grundpfeilern der Weihnacht. Machen wir uns nichts vor: Der liebe Gott hat in unserer Gesellschaft an Stellenwert verloren, und der Friede auf Erden ist ein frommer Wunsch.


Die Frage nach dem lieben Gott

Jede dritte deutsche Ehe wird geschieden und Heile-Welt-Inszenierungen unterm Tannenbaum sind für Eltern, die sich lieber aus dem Weg gehen, eine Qual. Das Trio Mama-Papa-Kind funktioniert eben nicht mehr überall tadellos. Und den religiösen Charakter des Festes können die meisten von uns den Kindern auch nicht mehr überzeugend vermitteln. Müssen wir deshalb auf das feierliche Drumherum des christlichen Weihnachtsfestes verzichten, auf die Folklore sozusagen? Ich glaube nicht. Schließlich muss das Fest nicht gleich spirituell verflachen. Und ebenso wenig muss es nach den Spielregeln der Konsumgesellschaft gespielt werden. Was ich meiner Tochter mitgeben möchte, ist dieser Zauber von Weihnachten, den ich heute noch spüre, sobald ich den Duft von Vanille rieche: das atemlose Staunen, wenn die Wunderkerzen brennen, das Herzklopfen vor der Bescherung. Die Behaglichkeit der Adventstage. Selbst einen Abschnitt der Weihnachtsgeschichte lese ich meiner Tochter jeden Adventsabend vor. Denn Sunny liebt Ochs, Eselein und die drei Könige aus dem Morgenland - genauso wie sie Schneewittchen und die Teletubbies mag. Schon bald, da bin ich sicher, wird meine Tochter mir die Hand-aufs-Herz-Frage stellen: "Mami, glaubst du an Gott?" Und ich werde sagen: "Ich weiß nicht, ob es ihn gibt. Aber viele Menschen auf der ganzen Welt glauben das, und sie haben verschiedene Namen für ihn, Buddha oder Allah zum Beispiel. Wenn du auch an Gott glauben möchtest, ist das in Ordnung". Dann werde ich sie zur Christmette, zum Krippenspiel mitnehmen. Schließlich fand sie auch den Moschee-Besuch bei unserem letzten Urlaub in Tunesien spannend. Welchen Glauben sie sich aus den religiösen Mosaiksteinen zusammenbasteln wird? Ich bin gespannt. Und biete ihr bis dahin das an, was es gibt. Es spricht also nichts dagegen, sich unverkrampft in der weihnachtlichen Ritualwelt zu bedienen. Kinder wie Erwachsene brauchen ihre kleinen Zeremonien, die Magie ins Leben bringen. Die das Besondere vom Gewöhnlichen unterscheiden. Die den Alltag vom Festtag trennen.


Der Wunsch nach Geborgenheit

64 Prozent der Deutschen wollen nach wie vor ihre echte Tanne, 62 Prozent backen Plätzchen. Rituale geben unserem Leben Sicherheit und Geborgenheit. Für Kinder sind sie außerordentlich wichtig, weil sie ihnen helfen, sich in der Welt zurechtzufinden. Damit Weihnachten nicht zum Stressfest wird, müssen sich Eltern überlegen, was ihnen wichtig ist. Welche Werte sie weitergeben wollen - und was sie an Weihnachten lieben. Wo alte Bräuche verblassen, tauchen fast automatisch neue auf. Die Teenie-Kinder meiner Freunde etwa verschwinden traditionell um Punkt zwölf in die Disco. Doch vorher schmücken sie den ganzen Nachmittag den Baum - mit Begeisterung und selbst gebastelter Deko. Und die Kleinen werden uns nach der Bescherung hoffentlich wieder zeigen, was sie im Ballettunterricht gelernt haben.






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