Hoi Chrütli
Gleich mal vorab: das Wort "Sorgerecht" existiert in unserer Gesetzgebung gar nicht. Die Rede ist dort von "elterlicher Sorge", was der Tatsache, dass es sich nicht um ein "Recht" sondern vielmehr um eine "Pflicht" dem/den Kind/ern gegenüber handelt, wesentlich näher kommt.
Nach geltender Regelung kann die "gemeinsame elterliche Sorge" gar nicht erstritten werden, auch in jahrelangen Prozessen nicht. Bedingung für die gemeinsame elterliche Sorge ist, dass beide Elternteile dies ausdrücklich wollen und zustimmen. Fehlt die Zustimmung von einer Seite, ist das Thema vom Tisch. Da gibt's auch keine jahrelangen Prozesse.
Die Position des Richters ist in aller Regel nicht, für eine bestimmte Regelung der elterlichen Sorge, in Deinem Beispiel die gemeinsame, einzutreten. Aufgabe des Richters ist es, primär darauf zu achten, dass den Interessen und dem Wohl des Kindes - den Umständen entsprechend - möglichst Rechnung getragen wird. Sekundär wird er auf eine Ausgewogenheit in den übrigen Punkten der Auseinandersetzung achten. Also: Richter ist nicht Partei - darf er auch nicht sein.
Was Du in der Praxis antriffst ist, so Auseinandersetzungen zur elterlichen Sorge stattfinden, dass die Variante "gemeinsame elterliche Sorge" mangels Zustimmung einer der beiden Elternteile vom Tisch ist und dann entweder um die Zuteilung an Mutter oder Vater, um die Regelungen des Umgangsrechts (sprich "Besuchsrecht") sowie um finanziellen Unterhalt gestritten wird. Allein schon die Frage des Umgangsrechts könnte locker ein paar Seiten füllen...
Bei anfänglich zerstrittenen Parteien wäre es theoretisch durchaus denkbar, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Vernunft wieder eingesetzt und sich durchgesetzt hat, auf gemeinsame elterliche Sorge umzustellen. Rein rechtlich ist dies durchaus machbar, zumal elterliche Sorge, Umgangsrecht und finanzielle Unterstützung jederzeit durch Eingabe oder Klage (je nach Zuständigkeit) abgeändert werden können.
Es stellt sich doch aber erst mal grundsätzlich die Frage, welche Vor- und Nachteile die beiden Varianten des Sorgerechts (einseitig oder gemeinsam) haben. Dies nicht nur aus Sicht der Elternteile sondern auch der Kinder und mit Blick auf deren Entwicklung. Diese Analyse könnte wirklich mal spannend sein - auch, welche Vor- und Nachteile der beiden Systeme die Forümler finden.
bis zur nächsten Runde und
angelface