Die EU verhandelt mit der Kosovo-Regierung seit Monaten über ein
Sondertribunal für Kriegsverbrechen. Die Zeit drängt: Denn im Sommer
veröffentlicht eine Internationale Sonderkommission ihren Bericht über
mutmassliche Kriegsverbrechen im Kosovokrieg.
Laut einem früheren
Bericht des Europarates gibt es starke Anzeichen dafür, dass
kosovarische Kämpfer während des Krieges serbischen Gefangenen Organe
entnommen und verkauft haben. Verdächtigt werden auch der amtierende
Ministerpräsident Hashim Thaci und andere aktive Kosovo-Politiker.
Grosse Aufgabe für die junge Justiz
Weder die EU noch die USA trauen allerdings dem Justizwesen des
jungen Staates Kosovo zu, derart sensible Kriegsverbrecher-Prozesse
unabhängig durchführen zu können. Die Justiz im Kosovo steht zu stark
unter dem Druck der Politik.
Nach bisher unbestätigten Berichten
soll das Sondertribunal dreigeteilt sein: Ein Büro steht in der
kosovarischen Hauptstadt Pristina, die Untersuchungen sollen in Brüssel
durchgeführt werden und die
Gerichtsverhandlungen im niederländischen Den Haag. So sollen Zeugen vor Drohungen bewahrt werden.
Nato öffnet Luftraum
15 Jahre nach dem Ende des Krieges hat die Nato den oberen Luftraum
über dem Kosovo wieder für zivile Flugzeuge geöffnet. Seit 1999 durften
zivile Flugzeuge zwar den Flughafen der Hauptstadt Pristina anfliegen,
nicht aber das Land überfliegen. Kontrolliert wird der Luftraum über dem
Kosovo weiterhin von der Nato.
Verletzung der Souveränität?
Viele Parlamentarier im Kosovo sehen das geplante Kosovo-Tribunal
im Ausland jedoch als grobe Verletzung der Souveränität des Kosovo und
wehren sich dagegen. Doch die EU und die USA scheinen Willens zu sein,
dieses Tribunal so oder so zu schaffen, unabhängig von einem
Parlamentsentscheid im Kosovo.
Die Verlegung des
Kriegsverbrechertribunals ins Ausland sei nicht nur für den Kosovo
beschämend, sondern auch für die EU und ihre Rechtsmission Eulex, meinte
ein kosovo-albanischer Kommentator kürzlich. Seit sechs Jahren baue die
EU im Kosovo ein Justizwesen auf, dem sie nun selber nicht traue, hielt
der Journalist fest.
[Quelle: http://www.srf.ch/news/international/umstrittene-plaene-fuer-ein-kosovo-tribunal]