Karla
Ehemaliges Mitglied
|
Erstellt: 18.04.11, 00:04 Betreff: Re: Ismail Kadare - "Der zerrissene April" |
|
|
Heute ist der 17. April und unser Held Gjorg steht nicht mehr unter dem Schutze des Ehrenwortes.
Da sich sonst niemand vordrängelt, nehme ich mir an diesem Datum einfach mal das Recht, die Besprechung dieses Buch mit den Kapiteln 6 und 7 abzuschließen.
Kapitel 6
Das Ehepaar Vorpsi fährt nun wieder durch das Hochland. Allerdings ist aus der Hochzeitsreise eine Fahrt in die Ehekrise geworden. Besian rätselt, welche Gründe Dianas abweisendes Verhalten hat, während Diana auf der Reise nur noch ein geheimes Ziel vor Augen hat. Sie mächte Gjorg (noch einmal ?) begegnen, bevor seine Schutzzeit beendet ist. Das Ehepaar beschließt die nächste Nacht in einem Gasthof unterzukommen. Im Gasthof, in ihrem Zimmer angekommen, weist Diana die Annäherungsversuche ihres Mannes unter Vorwänden ab. Das Ehepaar beschließt zunächst einen Spaziergang zu machen, der sie wiederum inspiriert einen Ausflug zu den Seen des oberen Weißwassers zu machen. Dort finden die beiden ein Dorf mit einem Schutzturm. Diana hat gleich den Gedanken, dass dort Gjorg untergekommen sein könnte. Ali Binaku ist auch zufällig im Dorf anwesend, der einen Schiedsspruch im Sinne des Kanun in einer Familienttagödie zu leisten hatte. Ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten fiel der Schiedsspruch so aus, dass kein Blut zu geben war. Eine interssante, unerwartete Wendung in dieser Geschichte.
Später sprechen die Vorpsis mit dem Hilfsjuristen von Ali Binaku, der sich als echter Arzt entpuppt. Dieser klagt sein Leid, warum er im Hochland nicht mit seinem eigenen Beruf Geld verdienen kann. Die Hochländer würden sich selbst ärztlich mit veralteten, teilweise barbarischen Methoden behandeln. Sie würden ihn nur rufen um beispielsweise zu bestimmen, wie stark Wunden nach einem Kampf oder nach einem missglücktem Rachemord finanziell zu bewerten sind, da der Verletzte vom Verursacher oder dessen Familie zu entschädigen ist. Der Arzt ist sogar der Ansicht, die gesamte Tradition des Blutgebens wäre nur ein finanzielles Geschäft, da immer jemand profitiert.
Der Arzt geht nun weiter und greift direkt Besian Vorpsi an und spricht aus, was wir Leserinnen schon lange denken: Die (schriftstellerische) Kunst Besians, das Schöne im Sterben im Sinne des Kanuns niederzuschreiben, fördere die Fortführung des Tötens in der Realität. Er sei ein Anstifter.
Diana war plötzlich verschwunden. Die Stimmung der Männer im Dorf war versteinert und ernst. Diana hatte etwas getan, dass wohl vor ihr noch nie eine Frau getan hat. Sie war von Besian unbemerkt in den Fluchtturm des Dorfes gegangen, um nach Gjorg zu suchen. Als sie den Turm mit Hilfe des Dorfpriesters wieder verließ, sprach sie kein Wort mehr. Auch nicht während der folgenden Tage. Es schwebt zudem die Frage im Raum, ob ihr in diesem Turm nicht schlimme Dinge geschehen sind. Immerhin leben dort Männer manchmal viele Jahre ohne diesen Turm je zu verlassen.
Am 17. April machte sich das Ehepaar auf den Weg das Hochland zu verlassen.
Dieses Kapitel war sehr umständlich zusammenzufassen, da sehr viel in sehr kurzer Zeit passierte. Allerdings halte ich es für das wichtigste Kapitel des Buches. Der Autor möchte meiner Meinung nach den Leser in diesem Kapitel aus der unwirklichen Stimmung des Hochlandes sanft wieder herausholen. Die Faszination fällt durch die Bloßstellung Besians, durch die Anwesenheit eines modernen Arztes als Fremdkörper sowie der ungewöhnliche Schiedsspruch des Kanunexperten. Auch die zweitwichtigste Person, Diana, verliert durch ihr naives Tun an Glanz.
Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibts nicht. Konrad Adenauer
|
|