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Lule Djeli
Experte


Beiträge: 720

New PostErstellt: 23.03.07, 15:43     Betreff: Re: gedicht oder poesie

Aries
Von einer Enkelin bei der goldenen Hochzeit ihre Großeltern



Der Geist der Zeit verlacht der Vorwelt Sitten,

Und höhnt die Schwestern oft in Ernst und Scherz.

Wohl ist er ihr in Künsten vorgeschritten,

Doch, was der Kopf gewann, verlor das Herz.



Die Selbstsucht hat sich an den Platz gedrungen,

Wo Biedersinn vor grauen Jahren stand.

Die Falsche spricht mit glatten Doppelzungen,

Und kein Vertrag ist ihr ein heilig Band.



Ruhm sei der Zeit, die Euch, ehrwürd'ge Gatten,

Zum Altar sah in Jugendschritten geh'n!

Was damals Hand und Mund gelobet hatten,

Das hielt das Herz so fest, wie Berge steh'n.



Es treten heut' ein halbes hundert Jahre

Als Zeugen auf und künden Euer Lob;

Sie sah'n, wie Euch zu einem Musterpaare

Ein selt'ner Bund von Tugenden erhob.



Ihr liebet Euch nicht in den Blütentagen

Der Jugend nur und auf des Glückes Bahn, -

Ihr schlosset stets in kummervollen Tagen

Noch inniger Euch an einander an.



Ihr lebtet ganz für Eure Söhn' und Töchter

Nicht kleinen Kreis, der um Euch her entstand.

Ihr waret uns'rer Wohlfahrt treue Wächter,

Und führtet uns zum Glück mit sanfter Hand.



Euch g'nügte streng im eigenen Entsagen

Ein mäßiges an Freuden armes Los,

Doch war für uns ein hoher Wurf zu wagen,

So schien fürwahr! kein Opfer Euch zu groß.



Ihr hättet selbst bei eines Notfalls Dringen,

Durch Heldentod das Leben und gewährt;

Dem Vogel gleich, der, wie die Dichter singen,

Mit Strömen seines Blut's die Jungen nährt.



Hoch steht Ihr nun auf Eures Alters Warte

Und blickt hinab in's tiefe Lebenstal:

Da liegt vor euch wie eine Länderkarte

All' Eurer Werke ruhmbekränzte Zahl.



O möchtet Ihr noch lang' hinunter schauen,

Von Enkelkindern jubelvoll umtanzt,

Hinunter in die hellen grünen Auen,

Wo die Erinnerung Euch Rosen pflanzt!



Wer so, wie Ihr, auf des Gewissens Waage

Stets wog und tat, was gut und rechtlich war

Dem bietet jeder Geist verlebter Tage

Der Seelenruh' balsam'sche Blumen dar.



Und Engel winden sie dereinst zu Kränzen,

Die kühlend sich um seine Schläfe zieh'n

Und oben, wo die ew'gen Sterne glänzen,

Um sein verjüngtes Haupt unsterblich blüh'n.






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