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Don Wil
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Beiträge: 7
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Erstellt: 25.12.15, 16:42 Betreff: Paraguay - der Ritt auf der Enduro
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14.4.2015: Ich musste außerplanmäßig montagfrüh nochmal in die Stadt, eine wichtige Erledigung verrichten und zur Schlauchverlängerung mittels Schnellkupplungssystem vier Wasserhahnanschlüsse umtauschen, da auf jeder Seite der Schnellkupplung ein Schlauch und kein Wasserhahn angeschlossen werden soll. Ich wollte die Wasserhahnanschlüsse erst behalten, stellte aber fest, dass sie für ½ Zoll ausgelegt sind und nicht für ¾ Zoll.
In der ferreteria staunte ich nicht schlecht. Ich hatte mir die Kupplungen nicht genau genug angeschaut, denn sie sind produziert mit Einschraubeinsätzen. Diese heraus geschraubt ergeben automatisch Anschlüsse für ¾ Zoll. Aber auch diese brauchte ich für die reine Schlauch zu Schlauch Verbindung nicht umtauschen, da es hier einfach Einschraubeinsätze für den Schlauchanschluss gibt. In Deutschland werden dazu drei verschiedene Typen an Schlauchzubehörteilen angeboten und man kann nicht ein Teil mit kleinen Ein- oder Verschraubungen für gleich mehrere Zwecke benutzen. Ein sehr praktischer Aha-Effekt mit der Frage, wieso wird so was Praktisches nicht in Deutschland verkauft? Die Antwort kam mir schnell, in Deutschland soll einfach mehr verkauft werden und dann liegen viele kleine Fehlkäufe ungenutzt irgendwo rum und wenn man was ähnliches braucht, kann man nicht modifizieren, sondern muss gleich neu kaufen.
Froh gelaunt, dass man im kleinen Städtchen wirklich alles bekommt was es auch in Deutschland gibt und noch mehr, wie ich heute wieder feststellte, trat ich den Kickstarter von der Enduro runter, nachdem der Sprithahn geöffnet und die Zündung eingeschaltet waren und der Einzylinder blubberte dumpf vor sich hin, da ich den Auspuff auf ein angenehmes lauteres Geräusch verändert habe. Das macht mir einfach mehr Spaß als mit einem Motorrad zu fahren, das man nicht hört. Es muss ein wenig knattern wenn man Gas gibt. Ein Verlust der Betriebserlaubnis mit allen gesetzlichen Folgen und Strafen bis hin zur Konfiszierung des Motorrades von der Polizei gibt es hier nicht und ist hier undenkbar. Ich habe mir einen Bußgeldkatalog von Paraguay aus dem Internet geladen und darin heißt es lapidar, ein wenig dem Ermessen des Motorradbesitzers überlassen, dass nur „wesentliche“ Änderungen am Fahrzeug mit einer Strafe belegt werden, wie auch das Fahren gänzlich ohne Führerschein nicht in ein Gerichtsverfahren mit Vorbestraftheit im Wiederholungsfall endet, nein, man zahlt nur einmal die Strafe fürs Erwischtwerden und gut ist es. Die Strafen sind übrigens viel höher als das, was man dem Polizisten vor Ort mit etwas Handeln ohne Quittung in die Hand drückt. Die Polizisten hier sind also nicht in dem Sinne korrupt mehr zu verlangen als nötig, sondern sie helfen dem Volk, wenig ans System zu bezahlen, nicht wie in Deutschland erlebt, wo es darum geht, möglichst viel Bußgeld einzutreiben, wonach die Polizisten berwertet werden und sie Belohnung in Form von höheren Bezügen und Beförderungen vom Staat erhalten, nein, so ist das hier nicht, Gott sein Dank. Meistens stehen die Polizisten an den Kontrollpunkten, zu denen sie entsandt wurden oder auch stationär arbeiten, da weiß man schon, wo sie stehen, und trinken im Schatten Terere, oft stundenlang bis dann mal eine halbe Stunde ein paar Autos angehalten werden. Die USA haben auch hier ihr System der unendlichen Verbote und Beschneidung von Freiheiten eingeführt, doch die Paraguayer pfeifen drauf, selbst die Polizisten halten sich nicht an die tausend Vorschriften, fahren selbst ohne Helm und halten so auch niemanden an um zu kassieren, weil er ohne Helm fährt.
Es ist einfach locker hier und in dieser Atmosphäre lege ich den 1.Gang ein und beginne meine Rückfahrt aus der Stadt nach Hause, auf's schöne Land. Am Kreisverkehr an der Ruta 7 wechselt eine Anzeige zwischen Uhrzeit und Temperatur und gegen 10 Uhr morgens an diesem Herbsttage zeigen sich schon 34 Grad im Schatten, doch ich empfinde es nicht als heiß. Es ist angenehm und auf dem Motorrad weht einem der Fahrtwind um die Ohren. Es gibt keinen Hitzestau unter einem gefütterten Helm und man bekommt mit seinen Ohren alles rundherum mit, hört mehr vom Verkehr um achtsam und rücksichtsvoll zu fahren, was hier die Regel ist und man hört bei der Fahrt raus aus der Stadt und weg vom Asphalt auf die natürlichen Erdpisten viel mehr von den unzähligen Geräuschen der Tiere, Grillen, Vögel, Frösche und mehr, neben dem dumpfen und ruhigen Geknatter meiner Enduro, der ich ein kleineres Ritzel am Hinterrad verpasst habe. Das erhöht zwar unter anderem die Endgeschwindigkeit, falls ich mal auf der Ruta nach Independencia fahre, doch viel wichtiger war mir das Fahren in geringeren Geschwindigkeiten mit jeweils höherem Gang und damit niedrigeren Drehzahlen. Das spart Benzin und vermittelt ein ruhigeres Fahren, wenn der Motor nicht wie eine Nähmaschine heult, sondern eher tranquillo blubbert und mit der größeren Übersetzung trotzdem schnell gefahren werden kann.
Schnell fahren heißt auf der Erdpiste etwas anderes als auf einer asphaltierten Straße. Wenn man einmal die Übung hat, die Balance über viele Kilometer Erdpiste nicht zu verlieren, wenn plötzlich Löcher oder Furchen oder Querrinnen auftauchen, die einen ganz schön fliegen lassen können und wenn es nach einem Regen nicht glitschig und matschig ist, wo die Geschwindigkeiten ohnehin begrenzt bleiben, dann muss man in den überwiegend sonnigen Zeiten mit sehr viel feinem Sand rechnen, in den man hinein rauscht und der sich auf ein Zweirad auswirkt, als würdest du in einen glitschigen Brei fahren, der deine Fahrspur nach eigenen Gesichtspunkten ändert und du mit sehr schneller Reaktion zwecks Gegenlenken und Gewichtsverlagerung die Balance halten musst, sonst stellt sich dein Vorderrad oder dein ganzes Motorrad quer und du schießt raketenmäßig entweder ins seitliche hohe Gras oder in den verglichen mit hartem Asphalt doch sehr weichen abbremsenden Pistensand. So etwas habe ich bei Einheimischen noch nie erlebt, die fahren schon mit 10 Jahren oder noch jünger besser wie die meisten in Deutschland. Gerade balanciert so ein Knirps morgens und mittags an unserem Land vorbei mit drei weiteren großen Geschwistern zusätzlich auf dem Moped, um damit einen längeren Schulweg zu verkürzen. Ich selbst muss mit schon vielen Jahren Zweiraderfahrung sagen, dass ich mich unter diesen herausfordernden Bedingungen hier auch noch nicht auf die Schnauze gelegt habe, wie man so schön sagt, doch habe ich mich vom vorsichtigen Herantasten an die hiesigen Bedingungen eines einzigartigen großen Enduro-Terrains langsam mit jeder Fahrt gesteigert und heute macht es derart Spaß wie jetzt, aus der Stadt über die unterschiedlich beschaffenen Erdstraßen nach Hause zu düsen, um nicht zu sagen tief zu fliegen, die Sonne im Nacken oder auch die Schirmmütze tiefer gezogen, wenn die Sonne voraus steht, der warme Fahrtwind doch kühlend und immer wieder mal die Luft angehalten und die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, wenn einem jemand entgegen kommt und eine Staubwolke aufwirbelt, als wärest du in einem Wüstensturm. Es ist nicht nur Staub, sondern es prickeln kleinste Sandteilchen auf deine Gesichtshaut und es kommt einem vor, als hätten die Autos oder Lastwagen oder auch Zweiräder richtig Spaß daran, eine möglichst große Staubwolke hinter sich aufzuwirbeln. Dort hinterher fahren kannst du nicht, dann siehst du nichts mehr, entweder auf Abstand bleiben oder überholen. Da hier immer ein leichter Wind weht, sind diese Staubwolken auch schnell seitlich der Erdstraßen wieder verzogen, deshalb hält sich die fehlende Sicht und das Luftanhalten in Grenzen, doch es gehört dazu und man kommt manchmal zu Hause an mit der Verwunderung seiner Familie, dass du wie ein Greis aussiehst, da Haare, Augenbrauen und Bart mit Staub noch voll hängen und dich grau färben. Klopfst du dann deine Klamotten ab, staubt es nochmals gehörig.
Unter diesen Bedingungen von Straßenunebenheiten, verschiedenen Untergründen von gepflasterten Stellen über steinharte rote Erde bis hin zu weichem tiefem Sand garniert mit den Staubwolken anderer Verkehrsteilnehmer im herrlichsten Sonnenschein, blauem Himmel mit ein paar schneeweißen Wölkchen und dem angenehmen Fahrtwind dahin zu knattern mit dem Blick nach rechts und links, wenn die Häuschen und Hütten der Einheimischen an mir vorbei fliegen und ich ständig eine Hand hoch in die Luft strecke mit dem Daumen hoch im kurzen Sichtkontakt zu arbeitenden oder auch beim Terere sitzenden anderen Menschen, die mir mit lachenden fröhlichen Gesichtern schnell ihre Arme mit erhobenem Daumen zurück recken und das Gefühl einer großen friedlichen Gemeinschaft von glücklichen Menschen aufkommt, ohne Stress, ohne Termine, ohne Druck irgendetwas unbedingt machen zu müssen, dann fühle ich mich so wohl, wie ich es früher nie kannte und ich bin immerhin schon 58 Jahre alt. Unter diesen Umständen eine Geschwindigkeit von 60 bis 80 Stundenkilometern zu fahren ist ein Gefühl, als ob du in Deutschland auf Asphalt 180 fährst und du musst noch viel mehr aufpassen, viel konzentrierter fahren beim gleichzeitigen entspannten Gefühl der Freude, wie schön das Leben doch ist.
Euer Don Wil Menschenfreund in Paraguay
[editiert: 25.12.15, 17:24 von Don Wil]
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