Lust aufs Stromgeschäft
Stadtwerke Brunsbüttel GmbH gegründet – Verhandlungen mit E.ON wegen Netz
Von Stefan Schmid
Brunsbüttel – In Zeiten hoher Energiekosten findet bei den Kommunen ein Umdenken statt. Die Stadtwerke, einst als kostbares Tafelsilber verscherbelt, werden als Betriebsmodell und regionaler Anbieter von günstigem Strom wieder attraktiv. Mit der Gründung der Stadtwerke Brunsbüttel GmbH hat auch die Schleusenstadt diesen Weg eingeschlagen.
Die Vorstellung ist schon verlockend: Im nagelneuen Kundencenter der Brunsbütteler Stadtwerke GmbH an der Braake sitzen vier schicke junge Damen und beantworten im Internet Kundenfragen rund um das Thema Strom und Gas. Mit dem Einstieg beim Steinkohlekraftwerk von Südweststrom ist man zum interessanten regionalen Stromanbieter in der Südermarsch avanciert. Gleichzeitig wird überlegt, die Geschäftsbereiche auf die Wasserversorgung und die Fernwärme auszudehnen. Denn die Stadtwerke Brunsbüttel erwirtschaften mittlerweile einen satten Gewinn, mit dem man die defizitären Bäder (LUV und Freibad) sowie das Elbeforum weiter betreiben kann.
Was noch der Phantasie entspringt, könnte in naher Zukunft ein realistisches Szenario sein. Jedenfalls hat die alte Ratsversammlung im vergangenen Jahr – vier Tage vor Weihnachten – in nicht öffentlicher Sitzung mit der beschlossenen Gründung der Stadtwerke Brunsbüttel GmbH den Weganfang markiert.
Allerdings muss das stadteigene Unternehmen derzeit die Abkürzung „i. Gr.“ (in Gründung) im Titel tragen. „Wir haben den Eintrag ins Handelsregister beantragt und warten nun auf die Bestätigung“, erläutert Fachbereichsleiter Stefan Mohrdieck, der zum Geschäftsführer der Stadtwerke bestellt worden ist.
Den Aufsichtsrat hatte die neugewählte Ratsversammlung auf ihrer konstituierenden Sitzung Ende Juni mit Politikern bestückt: in dem Gremium sitzen Jörg Lassen und Andreas Wohlert (beide CDU), Wilhelm Malerius und Klaus-Peter Stegemann (beide SPD) und Hans Jürgen Brütt (WIR).
Viel zu tun gibt es für das Kontrollgremium im Augenblick nicht. Die Impulse kommen aus dem Rathaus, auch wenn man dort noch nicht so gerne von der jungfräulichen Unternehmung spricht. Hintergrund bildet das Ende des Konzessionsvertrages mit E.ON Hanse über das Strom- und Gasnetz auf Brunsbütteler Boden. Am 12. Dezember 2010 läuft der Vertrag aus – eine Chance für die Stadt. „Wir haben die Möglichkeit, dieses Netz selbst zu erwerben“, sagt Mohrdieck. Zu diesem Zweck sei die Stadtwerke GmbH auch gegründet werden.
Dafür muss sich die Eigengesellschaft an der städtischen Ausschreibung eines neuen Wegenutzungsvertrags von Strom und Gas, die am 3. Juli im Elektronischen Bundesanzeiger im Internet bekannt gemacht worden ist, bewerben. Die Frist endet am 30. September.
Auch andere Stromversorger oder Stadtwerke werden sich zweifellos bewerben, denn der Energiestandort Brunsbüttel ist für einen Stromanbieter interessant. Bisher ist im Rathaus allerdings noch nichts schriftlich eingegangen ist, wie Lutz Necknig, Leiter des Fachbereichs Finanzen und Wirtschaft, betont. Die Auswahl des Netzbetreibers erfolge nach dem Energiewirtschaftsgesetz, erläutert Necknig, der für die Stadtwerke Brunsbüttel GmbH bereits in Gesprächen mit dem jetzigen Betreiber E.ON Hanse ist.
Zu den laufenden Verhandlungen will sich Necknig nicht äußern, allerdings wäre er ein schlechter Kämmerer, wenn er nicht schon längst eine Kalkulation aufgestellt hat, ob eigene Stadtwerke überhaupt lukrativ sind. „Es wäre natürlich reizvoll, damit Geld zu verdienen“, antwortet er lächelnd auf die Frage danach. Schließlich müsse man nach Möglichkeiten suchen, den städtischen Haushalt zu entlasten. „Es wäre ein schöner Nebeneffekt, wenn man defizitäre Bereiche weiter aufrecht erhalten kann.“
Auch Stadtwerke-Geschäftsführer Stefan Mohrdieck findet Gefallen an der Vorstellung, die „Energiepreise vor Ort mitzubestimmen“. Allerdings sei der Erwerb des Netzes eine Sache, der Handel mit günstigem Strom eine ganz andere. „Dafür muss man erst einmal Kunden akquirieren.“
Tafelsilber
Auch Brunsbüttel besaß schon einmal Tafelsilber in Form von Stadtwerken, die für die Wasserversorgung zuständig waren. Mit der Inbetriebnahme des Freizeitbades im Jahr 1980 und der Nutzung der Fernwärme von RWE/Condea (heute Sasol) lohnte sich der Aufbau eines Fernwärme-Netzes – es wurde zu einem zweiten Betriebszweig der Stadtwerke. Zehn Jahre später verkaufte man diesen Teil an die Schleswag, 1993 veräußerte man den anderen Betriebsteil.