Landwirte fürchten um den guten Ruf ihrer Marschrinder
Neue Sorgenfalten: Nach BSE, Vogelgrippe und Milchkrise jetzt Dioxin-Wiesen.
Kremperheide
– Bauern und Veterinäramt geht es jetzt vor allem um Schadensbegrenzung. Nach den Aufsehen erregenden Dioxin-Funden
in der Leber von Rindern, die in den Elbmarschen grasten, sollen
drohende Einbußen durch gezielte Aufklärung und geschicktes
Weidemanagement verhindert werden.
Auf einer Informationsveranstaltung vor Rinderhaltern in
Kremperheide ließ der Chef des Steinburger Veterinäramtes, Dr. Hans
Treinies, zunächst einmal keinen Zweifel daran, dass es ein Problem
gibt. Auch an Elbe und Stör angrenzende Ländereien in den Grenzen des
Kreises Steinburg seien mit Dioxinen belastet – allerdings nicht so
stark wie elbaufwärts liegende Landkreise. „Von der DDR kam wenig
Gutes, und die Unterelbe ist jetzt besonders belastet“, sagte Treinies.
Er äußerte aber die Überzeugung, dass „es eine realistische Chance
gibt, das Problem in den Griff zu bekommen.“ In einem ersten Schritt
soll es eine detaillierte Bestandsaufnahme geben. Alle betroffenen
Betriebe seien aufgefordert, Fragebögen auszufüllen, in denen Weide-
und Futtergewohnheiten dargestellt werden müssten. Nach einer
Auswertung erfolge dann eine Einteilung in unterschiedliche
Risikogruppen. Je nach Ergebnis sei davon auszugehen, dass der
Dioxingehalt der Leber von Marschrindern, aber auch von Deichschafen
über den erlaubten Werten liegt. Schon jetzt, so wurde aus der
Versammlung heraus bekannt, werde in Hamburger Schlachthöfen die Leber
von Steinburger Rindern generell weggeworfen. Erste
Untersuchungsergebnisse aus dem Raum Kollmar und dem Bereich der
Krückau rechtfertigen diese Vorsichtsmaßnahme. Treinies betonte aber
wiederholt, dass weder vom Muskelfleisch und schon gar nicht von der
Milch irgendeine Gefahr ausgehe. „Auch mit der Leber von Tieren, die am
Außendeich geweidet haben, kann man seine Schwiegermutter nicht
umbringen“, fügte er hinzu.
Gemeinsam mit Veterinärarzt Dr. Stefan Wendt zeigte Treinies auf,
dass alte Überschwemmungsgebiete und die Ländereien vor den Deichen
besonders betroffen sind. Hinter den Deichen nehme die Belastung dann
stark ab. „Dennoch müssen wir nicht die ganze Marsch sperren“, warnte
der Veterinärmediziner vor überzogenen Handlungen. Mit Bangen blicken
die betroffenen Landwirte allerdings auf den Handel und die
Verbraucher. Sie fürchten um den guten Ruf ihrer Marschrinder.
Gleichzeitig wurde Unverständnis laut, weil die Dioxinbelastungen an
der Elbe schon vor 15 Jahren Thema gewesen sei. Damals, so Dr. Wendt,
gab es andere Grenzwerte. Inzwischen seien auch die
Untersuchungsmethoden verbessert werden. Auf niedersächsischer Seite,
teilte Dr. Werner Lüpping von der Landwirtschaftskammer mit, sei es
sogar schon zu größerem Flächentausch gekommen, ohne dass dies groß an
die Öffentlichkeit gelangt sei. Lüpping sieht in der Grünlandpflege das
einzige Gegenmittel. Seine Empfehlung: möglichst wenig
Bodenverunreinigungen im Futter, geringen Erdkontakt bei der
Bearbeitung, optimale Anpassung von Tieren und Maschinen, keine offenen
Wasserstellen und noch mehr aufs Wetter achten. Am besten, so die
Schlussfolgerung, sollten Bauern und Rinder um jeden Maulwurfshügel
einen großen Bogen machen. Prompt wurden schon erste Forderungen nach
Entschädigungen laut. Hans Treinies schloss dann mit den Worten: „Von
Steinburger Rindviechern geht keine Gesundheitsgefährdung aus. Da
passen wir schon auf.“
Volker Mehmel
Warum Dioxin so gefährlich ist
Dioxine zählen nach Angaben des Kreisveterinärarztes Dr. Hans Treinies zu den krebseregenden Ultra
-Giften,
die schon in mikrospopisch kleinsten Mengen Wirkung zeigen. Das
Tückische: Das Gift ist äußerst stabil und bleibt so in der Umwelt auf
lange Zeit erhalten. Gerät es in die Nahrungskette, reichert sich
Dioxin insbesondere im Körperfett an und wird nicht mehr ausgeschieden.
Von Pflanzen wird das Gift nicht aufgenommen. Maisanbau – zum Beispiel
– ist damit völlig unproblematisch. Auch in Wasser lösen sich Dioxine
nicht auf. Kontaminiert sind aber das Erdreich – und damit aber auch
alle Anhaftungen am Pflanzenbewuchs vor allem in Bodennähe – sowie
Flüssigkeiten mit aufgelösten Sedimentstoffen. Nach allen bisherigen
Erkenntnissen stammt die Ursache der Dixionbelastung nicht aus den
betroffenen Regionen selbst. Der Giftstoff wird vielmehr auf die
Hinterlassenschaften einer industriellen Produktion in der früheren DDR
und am weiteren Oberlauf der Elbe zurückgeführt. Entsprechend belastet
sind alle Überschwemmungsgebiete links und rechts der Elbe sowie im
Bereich vieler Nebenflüsse wie der Stör.
(vm)