Kohlekraft: Stadt ebnet Weg für Electrabel
Von kritischen Tönen begleitet, setzte die Stadtvertretung ein Signal für Electrabel.
Brunsbüttel
– In der Schleusenstadt ist der Wandel vom Chemie- zum
Energiestandort ein Stückchen vorangekommen: Mehrheitlich votierten die
Stadtvertreter am Mittwochabend dafür, den Bebauungsplan für ein
Kohlekraftwerk der Electrabel auf den Weg zu bringen.
Zunächst wird der Entwurf vier Wochen lang öffentlich ausgelegt,
anschließend werden Anregungen und Bedenken in die Planung und die
Vorgaben an den Investor einfließen. Dann kann die Stadt grünes Licht
für das zweite Steinkohlekraftwerk geben.
Denn, dass Brunsbüttel noch einmal von diesem Weg abkommen wird,
scheint ausgeschlossen. Sowohl SPD als auch FDP und CDU machten am
Mittwoch deutlich, dass Brunsbüttel für Investoren ein verlässlicher
Partner sei und kein Schlingerkurs gefahren werde.
Andreas Wohlert betonte denn auch: „Wir sind das größte
Industriegebiet im Land. Wenn nicht hier, wo soll dann ein Kraftwerk
entstehen?“ Und, so der Christdemokrat: „Ich sehe keine Alternative zur
Kohlekraft.“ Mit Blick auf die in der Einwohnerfragestunde
vorgebrachten Bedenken und eingereichten 450 Unterschriften von
Kraftwerksgegnern, erklärte Wohlert: „Natürlich haben wir auch eine
Verantwortung für unsere Kinder.“ Aber eben auch, so der Ratsherr, für
Arbeitsplätze, die in Brunsbüttel seit Jahren rückläufig seien. Mit den
Kraftwerken können dieser Entwicklung entgegen gesteuert werden.
Brunsbüttel verdanke seinen Wohlstand auch der Industrie erklärte
Bettina Jebens (FDP). Und dieser Wohlstand könne genutzt werden, die
Auflagen vor der Genehmigung von Kraftwerken hoch anzusetzen.
Hans Jürgen Brütt (WIR) indes mochte sich nicht mit der Aussicht auf
vier Kraftwerksblöcke anfreunden: zwei von der Südweststrom und einen
von Electrabel sowie einen Block, den die Getec im benachbarten Büttel
errichten möchte. Dann würden zehn Millionen Tonnen Kohle verbrannt,
von denen fünf Millionen Tonnen die Elbe aufheizten. „Solche Kraftwerke
sind nicht zukunftsfähig“, folgerte Brütt. Kraft-Wärme-Koppelung wäre zwar eine Lösung, aber für Brunsbüttel nicht umsetzbar, so der WIR-Vertreter.
Daher müsse dem Investor ein klares Zeichen gesetzt werden: die
Ablehnung des Projekts. Kai Schwonberg (WIR) ergänzte: „Industrie
besteht nicht nur aus Kohlekraftwerken.“ Seine Fraktion stimmte gegen
das Vorhaben, ebenso drei Stadtvertreter der CDU.
Für die erklärte Michael Kunkowski, dass die lange Laufzeit der
Kohlemeiler die Stadt einschränke, wenn es um die weitere Zukunft im
Industriegebiet gehe. Und sein Parteikollege Thorsten Pfahler führte
die Südseitenbewohner als Grund für seine Ablehnung an. Die müssten
sonst in unmittelbarer Nähe zum Electrabel-Kraftwerk leben.
Die Schleusenstadt sei ein Industriestandort, konterte Wilhelm
Malerius (SPD) und warnte: „Wenn wir keine Industrie haben, müssen wir
uns in zwei Jahren fragen, was wir zuerst dicht machen wollen.“
Einen anderen Ansatz wählte Jens-Christian Magnussen (CDU): „Dazu beitragen, dass wir die Energie, die wir hier installieren, einsparen – das macht keiner!“
Mit 15 Stimmen bei einer Enthaltung und acht Nein-Stimmen sprachen sich die Stadtvertreter dafür aus, den B-Plan
auf den Weg zu bringen. Der werde zeitnah vier Wochen lang öffentlich
ausgelegt, so Bürgermeister Wilfried Hansen gegenüber unserer Zeitung.
„Jetzt haben die Einwohner ihre Chance, sich zu artikulieren. Danach
fällen wir ein endgültiges Urteil.“
Der Verwaltungschef äußerte sich zufrieden: „Die Verlässlichkeit des Industriestandorts haben wir unter Beweis gestellt.“
Zufrieden auch Electrabel-Projektleiter
Frank Albers, der die Sitzung im Elbeforum gespannt verfolgte: „Ich war
zuversichtlich, dass unserere Argumente zählen.“ Dazu gehörten
Arbeitsplätze, Aufträge für Fremdfirmen und Steuern für Brunsbüttel.
„Es ist ein gutes Projekt, das die Region stärkt – und es ist
umweltverträglich.“ Electrabel habe von sich aus die Grenzwerte über
das gesetzliche Niveau angehoben. Klappt alles, soll die Inbetriebnahme
des eine Milliarde teuren Kraftwerks 2012 erfolgen.
RALF PÖSCHUS