Erste Redezeit mit Raumfahrer und Scharlatanen
Gut aufgestellt ist das Kernkraftwerk. Das erfuhren die Gäste der „Redezeit“.
Brokdorf
– Ein gelungener Mix aus interessanter Information, spannender Weltraum-Wissenschaft und vergnüglicher Unterhaltung war die „1. Redezeit“ im E.on-Kernkraftwerk
Brokdorf. Vor zahlreichen geladenen Gästen gingen zunächst Werkleiter
Uwe Jorden und Rainer Veith als kaufmännischer Leiter auf die
Betriebsergebnisse ein. Wobei Veith ankündigte, dass er zum Sommer
dieses Jahres das Brokdorfer Werk gen Großbritannien verlassen werde,
wo E.on am Bau von vier Kernkraftwerken beteiligt sein wird.
Schon für 2007 hatte Jorden von der höchsten Stromerzeugung seit
Inbetriebnahme des Kernkraftwerks gesprochen. Dieser Rekord aber wurde
im Jahr 2008 wieder gebrochen: Mit über 12 Millionen Megawattstunden
hat das Kernkraftwerk Brokdorf im vorigen Jahr die Messlatte erneut
nach oben geschraubt. Die Arbeitsverfügbarkeit lag bei 94,6 Prozent.
Beim Leistungsverlauf insgesamt allerdings sei das Werk gebeutelt. Die
Absenkungen lagen bei bis zu 60 Prozent – denn immer wenn der Wind
stark wehe und sich die Einspeisung über die Windenergie ins Stromnetz
erhöhe, müsse das Kernkraft die Stromerzeugung reduzieren. Hinzu komme
das Herunterfahren der Anlage während der Revision.
Drei meldepflichtige Ereignisse habe es gegeben, die alle in die
Kategorie sicherheitstechnisch unbedenklich eingestuft waren. Auch dies
ein sehr guter Wert im europaweiten Vergleich. Pannen in anderen
Anlagen wie Krümmel und Brunsbüttel, die dort zum Abschalten führten,
nutzen die Brokdorfer eigene Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen
beziehungsweise zu erweitern. Beispielsweise wurde der
Maschinentransformator mit einer Sprühwasserlöschanlage nachgerüstet.
Auch über das Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände gab Jorden
Auskunft: Erst waren es sechs, im Februar werden neun Castor-Behälter
in Brokdorf lagern. Ende 2009 sollen es zwölf Behälter sein. Platz gebe
es für insgesamt 100 Behälter. Die diesjährige Revisionszeit kündigte
Jorden mit Ende Mai bis Mitte Juni an.
Danach nutzte er seine Redezeit für ein energiepolitisches Statement
– auch angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen – und ging der
Frage nach, was passiere, wenn in der Bundesrepublik die Kernkraftwerke
abgeschaltet werden. Bei der Diskussion über das Für und Wider der
Kernenergie müsse stärker ins Bewusstsein gebracht werden, dass diese
unstreitbare Vorteile habe: CO2-reduzierte Energieversorgung und
niedrige Stromkosten.
Wie wichtig für die Erde die Reduzierung des CO2-Ausstoßes ist, das
machte anschließend der namhafte Referent des Abends deutlich: Dreimal
flog der deutsche Astronaut Dr. Ulf Merbold in den Weltraum. Seine
Zuhörer in Brokdorf nahm er noch einmal mit auf seine wissenschaftliche
Mission. Ausführlich und anschaulich berichtete er über die
umfangreichen Vorbereitungen auf den Flug ins und den Aufenthalt im
Weltraum, erzählte vom Start des Space-Shuttle,
beschrieb das Phänomen der Schwerelosigkeit. Dabei vergaß er nicht,
auch auf die wissenschaftlichen Experimente und Erkenntnisse
einzugehen. Er sprach vom Zauber der Erde, von deren Bedrohung und vom
notwendigen Klimaschutz. Und er mahnte: „Es ist unsere ethische
Pflicht, unseren Nachkommen die Erde in intaktem Zustand zu
hinterlassen.“
Eine große Herausforderung für die Menschheit im 21. Jahrhundert
sieht er in der verstärkten Erforschung des Sonnensystems. Sein Wunsch:
„dass wir Europäer dabei sind“.
Hauptsache, es wird kein „Oneway-Ticket to
the moon“, wie es anschließend der „kleine Chor der baltischen Flotte
aus St. Petersburg“ unter anderem besang, der sich als Hamburger
„Scharlatane“ entpuppte und urkomisch für Stimmung sorgte.
Ilke Rosenburg