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Holcim: Zementwerk oder Müllverbrennung? WZ vom 03.12.2010

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Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 03.12.10, 23:21  Betreff: Holcim: Zementwerk oder Müllverbrennung? WZ vom 03.12.2010  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen



BIAB fragt: Zementwerk oder Müllverbrennung ?

Mitglieder der Bürgerinitiative setzen sich
weiterhin kritisch mit neuen Plänen bei Holcim auseinander / Kratzenberg
kündigt für nächstes Jahr den Abschied vom Vorsitz an

Lägerdorf

Stößt das Zementwerk Holcim in Lägerdorf demnächst 250 Kilogramm
hochgiftigen Quecksilbers im Jahr und damit die Hälfte der aktuellen
Gesamtemission aller 27 Zementwerke in Deutschland aus? „Es könnte so
kommen, wenn die Firma die Genehmigung für diesen Höchstwert erhält“,
befürchtet der 2. Vorsitzende der BIAB, Andreas Sip bei einer
Mitgliederversammlung.


Bei der BIAB (Bürgerinitiative zur Verhinderung
gesundheitsgefährdender Abfallbeseitigung) in Lägerdorf herrschte im
Tennisheim wieder einmal volles Haus: 25 interessierte und Teilnehmer
waren gespannte Zuhörer und erfuhren wieder viel Neues.


Andreas Sip berichtete, dass bei Holcim demnächst statt Kohle
Ersatzbrennstoffe verfeuert werden sollen. Der Ausdruck „Alternative
Brennstoffe“ höre sich harmlos an, es handele sich aber um einen Mix aus
verschiedensten Stoffen wie etwa Plastik-Sortier-Reste
von Gelben Säcken oder kritische belastete Dachpappe. Außerdem soll
Klärschlamm verbrannt werden. „Der ist feucht und muss erst erhitzt
werden, dann verdampfen und durch den Schornstein hinaus.“


Das Werk wolle seine Feuerungswärmeleistung deshalb von 220 Megawatt
auf 240 Megawatt erhöhen, also um etwa neun Prozent. Der Klärschlamm
habe aber nur einen Anteil an der Erhöhung der Gesamtwärmeleistung um 10
bis 12 Prozent. „Das heißt, er bringt für die Ofenleistung fast
nichts.“ Enthalten seien darin auch Schwermetalle. „Die sind nicht mehr
zu zersetzen, das kommt oben wieder raus.“ Auch Gewebe- und
Elektrofilter hielten sie nicht zurück. Ebenso werde der
Quecksilberausstoß steigen. „Müllverbrennungsanlagen dürfen zehn
Kilogramm im Jahr ausstoßen, erst ab zehn Kilo wird es meldepflichtig.“


Die insgesamt 27 Zementwerke in Deutschland hätten einen
Gesamtausstoß von 500 Kilogramm im Jahr. Holcim habe davon derzeit 90
Kilogramm mit einer Sondergenehmigung, darf statt 30 Mikrogramm 50
Mikrogramm pro Kubikmeter in den Abgasen ausstoßen. Das hat die BIAB in
einem extra erschienenen Flyer aufgelistet. Es sei eine kontinuierliche
Steigerung über Jahre gewesen, so die Kritik.


Deshalb sei bei den BIAB-Mitgliedern und
weiteren Interessierten ein anderer Verdacht aufgekommen. Der ehemalige
Vorsitzende Werner Lüdtke wies auf „noch Tausende Tonnen weiterer
Stoffe“ hin, die verfeuert werden sollen, wie Bleicherde und weiterer
Industriemüll. „Ist es eine Zementfabrik oder eine
Müllverbrennungsanlage unter dem Deckmantel der Zementherstellung?“,
fragte er. Das Argument vom Umweltamt für die Genehmigung sei: „Solange
ein Produkt entsteht, ist es keine Müllverbrennungsanlage.“


Die Brennstoffe sollen per Lkw angefahren werden, weil sie aus
kleinen Kläranlagen kommen und nicht für den Bahntransport geeignet
seien. „Münsterdorf wird da nicht begeistert sein.“


BIAB-Vorsitzende Ingrid Kratzenberg berichtete: „Wir hatten einen ,Scoping-Termin,
eine Generalbesprechung, mit allen Beteiligten, um unsere Bedenken kund
zu tun, es kommt noch eine öffentliche Anhörung. Dazu haben wir unsere
Forderungen zusammen gestellt.“


So fordert die BIAB, in der Genehmigung einen Gewebefilter
vorzuschreiben. Die Abgasreinigung müsse den Kriterien der
Müllverbrennung entsprechen und der Eingang der Schlämme gemessen
werden. „Außerdem muss die Frage beantwortet werden, warum zu den
Auffälligkeiten von Quecksilbervergiftung keine Studie erfolgt ist.“


Die Initiative fordert, dass Anlieferungsgenehmigungen an Sonnabenden
nicht gegeben werden. „Bei 29 Fahrzeugen pro Tag befürchten wir Lärm
und Abgase bei der Ortsdurchfahrt.“ Denn Schadstofffrachten und
Umweltlasten nehmen zu. Schriftführerin Silke Lange gab zu bedenken:
„Wir müssen uns im Klaren sein, dass das Interesse der Firma darin
besteht, marktfähig zu bleiben.“ Beeinträchtigungen der Ruhe sowie
Beschädigungen von unterirdischen Rohrleitungen durch Laster mit ihren
40-Tonnen Gewicht würden auch in Nachbarorten wie Münsterdorf
befürchtet.


Obwohl der ebenfalls anwesende Bürgermeister Heiner Sülau vehement
widersprach, sagte Ingrid Kratzenberg, auf Lägerdorf bezogen: „Wir
fühlen uns von der Gemeindevertretung im Stich gelassen und fragen uns,
warum hinter einem Wohngebiet und Häusern mit Güterzügen rangiert wird,
nur aus Kostenersparnis ohne Rücksicht, und die Vertretung nichts
dagegen tut.“


Zukünftige Aufgaben sieht die BIAB darin, den Gemeinden und
Institutionen noch mehr Information von zu liefern. „Und: Wir brauchen
für unsere Arbeit mehr Mitstreiter“, rief sie zur Mitarbeit auf, vor
allem jüngere engagierte Interessenten. Im gleichen Atemzug kündigte sie
nämlich an, zur Hauptversammlung im kommenden Jahr ihr Amt abzugeben.
An ihre Aufforderung zur Nachfolge knüpfte sie aber das Versprechen,
weiterhin mit zu arbeiten. Die Gemeindevertretung habe außerdem
inzwischen der Aufstellung von Windrädern durch Holcim zugestimmt. „Die
sind geplant in Offshore-Größe, 200 Meter hoch. Wir sind damit eine in vielen Hinsichten belastete Gegend“, so Ingrid Kratzenberg.
Ludger Hinz

Internet: www.biab-laegerdorf.de







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Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 03.12.10, 23:27  Betreff: Re: Holcim: Zementwerk oder Müllverbrennung? WZ vom 03.12.2010  drucken  weiterempfehlen

Auf der selben Zeitungsseite nehmen Mitarbeiter der Firma Holcim Stellung zu den Fragen der BIAB:




„Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen – so werden unbegründete Ängste geschürt“

Werkleiter Morten Holpert und Umweltbeauftragter Torsten Krohn stellen sich den von der BIAB aufgeworfenen Fragen

Lägerdorf

Die Bürgerinitiative BIAB meldete eine ganze Reihe kritischer
Anmerkungen an. Unsere Zeitung sprach darüber mit dem Leiter des Werks
Lägerdorf der Holcim Deutschland AG, Morten Holpert, und seinem
Umweltbeauftragten Torsten Krohn.


Laut BIAB kann Holcim bei Ausschöpfung aller
Höchstwerte künftig bis zu 250 Kilogramm Quecksilber pro Jahr ausstoßen.
Der Gesamtausstoß aller 27 Zementwerke in Deutschland liege derzeit bei
500 Kilogramm. Treffen diese Zahlen zu?


Torsten Krohn: 250 Kilogramm Quecksilber: Dies ist ein theoretischer
Maximalwert. Maximalwerte werden beantragt, um über das Jahr hinweg
ausreichende Sicherheitsreserven zu haben. Wir können daher unter keinen
Umständen ein Jahr durchgehend sämtliche Grenzwerte ausschöpfen! Nur so
lässt sich ja dieser theoretisch mögliche Wert überhaupt erreichen. In
der Praxis werden wir weiterhin deutlich unter dem Grenzwert liegen.
Gesamtausstoß aller Zementwerke: Uns liegt eine relativ aktuelle Grafik
aus den Umweltdaten der Deutschen Zementindustrie 2009 vor. Nach deren
Auswertung kommen wir auf höhere Werte als 500 Kilogramm. Es wäre
interessant zu erfahren, wie der niedrigere Wert 500 Kilogramm ermittelt
wurde. Wer jetzt diese Zahlen einfach miteinander kombiniert läuft
Gefahr, bei der Zusammenstellung Äpfel mit Birnen zu vergleichen. So
kommt es zu falschen Aussagen, es werden unbegründete Ängste geschürt
und dies trägt nicht zu einer Versachlichung der öffentlichen Diskussion
bei.


Demnächst sollen in Ofen 11 bis zu 100 Prozent
alternative (zur Kohle) Brennstoffe zum Einsatz kommen. Um welche
handelte es sich genau? Trifft es zu, dass ein - laut BIAB - „Mix aus
verschiedensten Stoffen wie Sortierreste aus gelben Säcken und kritisch
belastete Dachpappe“ eingesetzt werden?


Torsten Krohn: Über die eingesetzten und genehmigten Stoffe
informieren wir bereits seit vielen Jahren in unserem jährlichen
Umweltbericht. Zukünftig wollen wir versuchen, den immer knapper
werdenden primären Brennstoff Kohle noch weiter zu reduzieren, um so
natürliche Ressourcen zu schonen, aber selbstverständlich auch aus
wirtschaftlichen Gründen. Wir werden dies hauptsächlich durch erhöhten
Einsatz bereits seit langem genehmigter und bekannter Stoffe
realisieren, z.B. durch die heizwertreichen Fraktionen aus Abfällen
(Fluff, EBS-Pellets), Tiermehl, Organische
Destillationsrückstände und Dachpappen. All diese Stoffe unterliegen
einer sehr genauen Qualitätssicherung und Güteüberwachung. Von der
Genehmigungsbehörde wurden uns nicht nur Grenzwerte zur Reinhaltung der
Luft am Abgaskamin auferlegt, sondern auch eine qualitative Begrenzung
der Eingangsstoffe, um so den Schutz der Nachbarschaft, in der auch wir
Holcim-Mitarbeiter mit unseren Familien wohnen, zu gewährleisten.


Laut BIAB soll auch Klärschlamm verbrannt
werden, was für die Ofenleistung - so die Kritiker - nicht viel bringe.
Trifft das so zu?


Morten Holpert: Ja, es soll zukünftig auch Klärschlamm in
getrockneter und entwässerter Form verwertet werden. Die im Klärschlamm
enthaltene Wärmeenergie kann thermisch, die enthaltenen Feststoffe
stofflich bzw. mineralogisch zur Zementklinkerherstellung verwendet
werden. Der Vorteil der Verwertung in der Zementindustrie ist ja die
vollständige Nutzung des Stoffes, also zu 100 Prozent. Am Ofen 11 würde
die Verwertung von Klärschlamm so ungefähr vier bis acht Prozent des
gesamten Wärmebedarfs decken, in der späteren Endausbaustufe dann
maximal ca. 12 Prozent.


Laut BIAB führen die Transportwege für
alternative Brennstoffe künftig verstärkt auch durch Münsterdorf. BIAB
spricht von 29 zusätzlichen Fahrzeugen pro Tag. Stimmt das? Welche
Transporte fallen an und wie verlaufen die Transportwege ?


Morten Holpert: Sicherlich wird es durch die Erhöhung der AFR-Mengen auch eine leichte Erhöhung der Lkw-Transporte
geben. Auf der anderen Seite wird die Anzahl der Eisenbahnbewegungen
durch Lägerdorf durch geringere Kohletransporte reduziert Der größte
Anteil der Lkw-Transporte wird über die Autobahn
(Südspange) erfolgen und wir werden uns auch künftig bei den
Spediteuren und Lieferanten mit Nachdruck und mit vertraglichen
Regelungen dafür einsetzen, das die An- und Abfahrt über die Autobahn
der egrundsätzlich zu wählende Weg ist. Trotzdem wird es auch immer
wieder Ausnahmen durch Maut-Flüchtlinge geben
oder weil es verkehrsgünstiger ist, auch andere Wege zu nehmen. Holcim
kann hier nur eingeschränkt auf die fremden Lkw-Fahrer einwirken, da es sich nicht um Holcim-Personal handelt.


Abschließend kritisiert die BIAB, dass in der
Nähe zum Werk Windräder mit einer Höhe von 200 Metern geplant seien. Was
genau ist geplant?


Morten Holpert: Es stand schon in der Zeitung, dass die Gemeinden
Lägerdorf und Rethwisch der Errichtung von Windparks und damit der
Erzeugung regenerativer Energie nicht abgeneigt sind. Derzeit läuft noch
das grundsätzliche Anerkennungsverfahren in Kiel. Erst wenn das durch
ist, werden sich die Gemeinden der Änderung der Flächennutzungspläne und
der Erstellung von Bauplänen zuwenden. Erst in diesen Planungen werden
dann Art, Typ, Höhe, Anzahl, Leistung usw. möglicher Windkraftanlagen
festgelegt.


Die Fragen an Torsten Krohn und Morten Holpert stellte unser Redaktionsmitglied Volker Mehmel






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