BIAB fragt: Zementwerk oder Müllverbrennung ?
Mitglieder der Bürgerinitiative setzen sich
weiterhin kritisch mit neuen Plänen bei Holcim auseinander / Kratzenberg
kündigt für nächstes Jahr den Abschied vom Vorsitz an
Lägerdorf
Stößt das Zementwerk Holcim in Lägerdorf demnächst 250 Kilogramm
hochgiftigen Quecksilbers im Jahr und damit die Hälfte der aktuellen
Gesamtemission aller 27 Zementwerke in Deutschland aus? „Es könnte so
kommen, wenn die Firma die Genehmigung für diesen Höchstwert erhält“,
befürchtet der 2. Vorsitzende der BIAB, Andreas Sip bei einer
Mitgliederversammlung.
Bei der BIAB (Bürgerinitiative zur Verhinderung
gesundheitsgefährdender Abfallbeseitigung) in Lägerdorf herrschte im
Tennisheim wieder einmal volles Haus: 25 interessierte und Teilnehmer
waren gespannte Zuhörer und erfuhren wieder viel Neues.
Andreas Sip berichtete, dass bei Holcim demnächst statt Kohle
Ersatzbrennstoffe verfeuert werden sollen. Der Ausdruck „Alternative
Brennstoffe“ höre sich harmlos an, es handele sich aber um einen Mix aus
verschiedensten Stoffen wie etwa Plastik-Sortier-Reste
von Gelben Säcken oder kritische belastete Dachpappe. Außerdem soll
Klärschlamm verbrannt werden. „Der ist feucht und muss erst erhitzt
werden, dann verdampfen und durch den Schornstein hinaus.“
Das Werk wolle seine Feuerungswärmeleistung deshalb von 220 Megawatt
auf 240 Megawatt erhöhen, also um etwa neun Prozent. Der Klärschlamm
habe aber nur einen Anteil an der Erhöhung der Gesamtwärmeleistung um 10
bis 12 Prozent. „Das heißt, er bringt für die Ofenleistung fast
nichts.“ Enthalten seien darin auch Schwermetalle. „Die sind nicht mehr
zu zersetzen, das kommt oben wieder raus.“ Auch Gewebe- und
Elektrofilter hielten sie nicht zurück. Ebenso werde der
Quecksilberausstoß steigen. „Müllverbrennungsanlagen dürfen zehn
Kilogramm im Jahr ausstoßen, erst ab zehn Kilo wird es meldepflichtig.“
Die insgesamt 27 Zementwerke in Deutschland hätten einen
Gesamtausstoß von 500 Kilogramm im Jahr. Holcim habe davon derzeit 90
Kilogramm mit einer Sondergenehmigung, darf statt 30 Mikrogramm 50
Mikrogramm pro Kubikmeter in den Abgasen ausstoßen. Das hat die BIAB in
einem extra erschienenen Flyer aufgelistet. Es sei eine kontinuierliche
Steigerung über Jahre gewesen, so die Kritik.
Deshalb sei bei den BIAB-Mitgliedern und
weiteren Interessierten ein anderer Verdacht aufgekommen. Der ehemalige
Vorsitzende Werner Lüdtke wies auf „noch Tausende Tonnen weiterer
Stoffe“ hin, die verfeuert werden sollen, wie Bleicherde und weiterer
Industriemüll. „Ist es eine Zementfabrik oder eine
Müllverbrennungsanlage unter dem Deckmantel der Zementherstellung?“,
fragte er. Das Argument vom Umweltamt für die Genehmigung sei: „Solange
ein Produkt entsteht, ist es keine Müllverbrennungsanlage.“
Die Brennstoffe sollen per Lkw angefahren werden, weil sie aus
kleinen Kläranlagen kommen und nicht für den Bahntransport geeignet
seien. „Münsterdorf wird da nicht begeistert sein.“
BIAB-Vorsitzende Ingrid Kratzenberg berichtete: „Wir hatten einen ,Scoping-Termin,
eine Generalbesprechung, mit allen Beteiligten, um unsere Bedenken kund
zu tun, es kommt noch eine öffentliche Anhörung. Dazu haben wir unsere
Forderungen zusammen gestellt.“
So fordert die BIAB, in der Genehmigung einen Gewebefilter
vorzuschreiben. Die Abgasreinigung müsse den Kriterien der
Müllverbrennung entsprechen und der Eingang der Schlämme gemessen
werden. „Außerdem muss die Frage beantwortet werden, warum zu den
Auffälligkeiten von Quecksilbervergiftung keine Studie erfolgt ist.“
Die Initiative fordert, dass Anlieferungsgenehmigungen an Sonnabenden
nicht gegeben werden. „Bei 29 Fahrzeugen pro Tag befürchten wir Lärm
und Abgase bei der Ortsdurchfahrt.“ Denn Schadstofffrachten und
Umweltlasten nehmen zu. Schriftführerin Silke Lange gab zu bedenken:
„Wir müssen uns im Klaren sein, dass das Interesse der Firma darin
besteht, marktfähig zu bleiben.“ Beeinträchtigungen der Ruhe sowie
Beschädigungen von unterirdischen Rohrleitungen durch Laster mit ihren
40-Tonnen Gewicht würden auch in Nachbarorten wie Münsterdorf
befürchtet.
Obwohl der ebenfalls anwesende Bürgermeister Heiner Sülau vehement
widersprach, sagte Ingrid Kratzenberg, auf Lägerdorf bezogen: „Wir
fühlen uns von der Gemeindevertretung im Stich gelassen und fragen uns,
warum hinter einem Wohngebiet und Häusern mit Güterzügen rangiert wird,
nur aus Kostenersparnis ohne Rücksicht, und die Vertretung nichts
dagegen tut.“
Zukünftige Aufgaben sieht die BIAB darin, den Gemeinden und
Institutionen noch mehr Information von zu liefern. „Und: Wir brauchen
für unsere Arbeit mehr Mitstreiter“, rief sie zur Mitarbeit auf, vor
allem jüngere engagierte Interessenten. Im gleichen Atemzug kündigte sie
nämlich an, zur Hauptversammlung im kommenden Jahr ihr Amt abzugeben.
An ihre Aufforderung zur Nachfolge knüpfte sie aber das Versprechen,
weiterhin mit zu arbeiten. Die Gemeindevertretung habe außerdem
inzwischen der Aufstellung von Windrädern durch Holcim zugestimmt. „Die
sind geplant in Offshore
-Größe, 200 Meter hoch. Wir sind damit eine in vielen Hinsichten belastete Gegend“, so Ingrid Kratzenberg.
Ludger Hinz
Internet: www.biab-laegerdorf.de