2300 Atomkraftgegner gedenken der Opfer in Japan
Ein Jahr nach Fukushima: Schweigeminute, Umzingelung und Kundgebung gestern am KKW Brokdorf
Brokdorf
Genau ein Jahr nach der Naturkatastrophe in Japan und dem
Reaktorunglück von Fukushima und keine neun Monate nach der letzten
Großdemonstration mobilisierte das Kernkraftwerk Brokdorf gestern erneut
die Menschen. Rund 2300 Atomkraftgegner umzingelten auf einer vier
Kilometer langen Strecke rund um das Kraftwerksgelände ein
rekordverdächtiges Transparent mit dem klaren Botschaft: „Abschalten!“
„Bei 1000 Teilnehmer wären wir froh gewesen, bei mehr als 2000 bin ich
richtig happy“, freute sich Marianne Kolter von der Initiative „Brokdorf
aktut“. „Auf diesen Erfolg sind wir auch ein bisschen stolz.“
Ein breites Bündnis überwiegend lokaler Initiativen hatte die Umzingelungs-Aktion
auf die Beine gestellt. Vor allem Menschen aus der Region nutzten die
Gelegenheit für den friedlichen Protest gegen die Nutzung der
Kernenergie – unter ihnen sehr viele junge Menschen, die die Anfänge der
Anti-AKW-Bewegung nur
aus Erzählungen kennen. Neben hunderten von Angehörigen einer neuen
Protestgeneration gab es auch prominente Besucher. Grünen-Chefin Claudia Roth reihte sich ebenso ein wie der SPD-Spitzenkandidat
für die Landtagswahl im Mai, Torsten Albig. Dieser versprach, dass eine
neue Landesregierung erneuerbare Energie stärker fördern und beim
Netzausbau Dampf machen wolle.
Im Unterschied zu früheren Brokdorf-Aktionen
fand übrigens die Polizei diesmal praktisch nicht statt. Vor dem Südtor
hielt alleine der Wilsteraner Zentralstationsleiter Thomas Körn die
Stellung. Einige wenige Kollegen konnten sich auf verkehrslenkende
Maßnahmen beschränken.
Gegen 14 Uhr dann eine kollektive Schweigeminute für die vielen
tausend Opfer in Japan. Für den Veranstalter wies Heinrich Voß dann
darauf hin, dass es im Norden zwar keine Tsunamis, wohl aber Sturmfluten
gebe. „Die Gefahr wird aber von der Landesregierung nicht ernst
genommen.“ Dr. Karsten Hinrichsen wunderte sich, dass angesichts auch
hier möglicher Gefahren „sich es in Deutschland 80 Millionen Menschen
gefallen lassen, dass mit ihrer Gesundheit russisches Roulette gespielt
wird“. Er sprach von einer „Notwehr-Situation“
und forderte „noch radikaleren Widerstand“. Vor dem Hintergrund der
Energiewende meinte Hinrichsen weiter: „Wir können Vorbild für die ganze
Welt sein.“ Nach rund drei Stunden waren Umzingelungsaktion und
Kundgebung zu Ende. Hauptgesprächsthema gestern in Brokdorf waren die
erst vor wenigen Tagen im benachbarten Brunsbüttel gefundenen Rostfässer
mit Atommüll. Der Grünen-Landtagsabgeordnete
Bernd Voss bekannte, dass auch er auf seinem Anwesen gerade erst einen
durch Rostfraß verrotteten Blechbehälter gefunden habe. Im Unterschied
zu Brunsbüttel habe es sich da aber nur um eine alte Keksdose gehandelt.
Volker Mehmel