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Claudia

Beiträge: 4532

New PostErstellt: 15.06.13, 00:29     Betreff: Prozessbeginn zur Sicherheit Zwischenlager Brunsbüttel. 14.06.2013

Weider Shaker "



Pressemitteilung von
Brokdorf-akut vom 14.06.2013:



Prozess um das Zwischenlager Brunsbüttel vor dem OVG Schleswig - Wird das
Gericht dem Druck verschiedener Lobby-Gruppen standhalten?



Die Klage eines Anwohners gegen die Bundesrepublik Deutschland ist vom
Bundesverwaltungsgericht zur erneuten Sachaufklärung an das
Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen worden. Der
Prozess beginnt am Montag, dem 17. Juni 2013, 10 Uhr, und ist zunächst für 3
Tage terminiert.



Die Genehmigung für das atomare Standortzwischenlager (ZL) Brunsbüttel wurde am
28.11.2003 vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilt. Am 17.2.2004 reichte
ein Brunsbütteler Bürger dagegen Klage ein. Das OVG Schleswig wies die Klage am
31.1.2007 ab. Das Bundesverwaltungsgericht gab der dagegen eingelegten Revision
statt und verwies die Klage mit Beschluss vom 10.4.2008 ans OVG zurück mit der
Aufforderung zu prüfen, ob die Genehmigung willkürfrei erteilt worden ist.



Das OVG hatte die Klage damals abgewiesen, weil es die maßgeblichen
Vorschriften des Atomgesetzes zum Schutz vor Störmaßnahmen und Einwirkungen
Dritte (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG) generell für nicht drittschützend ansah und damit
Anwohnern von Atomanlagen  einen Schutzanspruch im Hinblick auf
terroristische Angriffe, insbesondere in Bezug auf den (gezielten)
Flugzeugabsturz und einen Angriff mit panzerbrechenden Waffen grundsätzlich
absprach.



Das Verfahren hat Rechtsgeschichte geschrieben, weil das
Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich geklärt hat, dass Kläger überprüfen
lassen können, ob mit einer atomrechtlichen Genehmigung ausreichende
Schutzvorkehrungen gegen entsprechende (auch terroristisch motivierte)
Ereignisse getroffen worden sind. (Diese neue Rechtsauffassung war nach den
Ereignissen in den USA vom 11.9.2001 überfällig.)



Die Sachaufklärung durch das OVG gestaltet sich indes äußerst schwierig:



1. Das beklagte BfS hat es abgelehnt, dem Gericht detaillierte Angaben zu den
vorgesehenen Schutzmaßnahmen vorzulegen. Dies wird damit begründet, dass
mutmaßliche Täter daraus Schlüsse ziehen könnten, wo Lücken im
Sicherungskonzept liegen und wo bauliche Schwachstellen vorliegen.

Die Anwälte der beigeladenen Firma Vattenfall behaupten sogar dreist, dass
diese Geheimhaltung auch zum Wohle des Klägers gereicht (der ja seine Klage gar
nicht detailliert begründen kann); denn es sei für den Kläger besser, die Klage
zu verlieren als wenn Terroristen technische Daten zur Kenntnis bekämen.

Dem Gericht geben die Anwälte praktisch die Empfehlung, ohne Kenntnis der
Unterlagen einfach nach dem gesunden Menschenverstand zu urteilen.



Hier soll also die grundgesetzlich verbriefte Gewaltenteilung eingeschränkt und
die Kontrollfunktion der Gerichte ausgehöhlt werden. Der Gesellschaft
dienlicher wäre es, sich einer derart gefährlichen Technologie schnell zu
entledigen, statt die Aufgaben der Organe des Rechtsstaats zu beschneiden.



2. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hatte für das BfS die
Flugzeugabsturzsicherheit des ZL Brunsbüttel begutachtet und dabei nur
leichtere Flugzeugtypen als den Airbus A380 betrachtet. In einem Schreiben der
GRS vom 28.4.2013 heißt es, dass ihr zum Zeitpunkt der Genehmigung (Ende 2003)
keine detaillierten Konstruktionsdaten vorgelegen hätten. Diese seien von der
GRS erst im Herbst 2005 von der EADS "erbeten" worden. Mit dieser
Ausrede kann sich das Gericht unmöglich abspeisen lassen; denn - von kleineren
späteren Veränderungen abgesehen - lagen die Konstruktionsdaten natürlich bei
EADS vor. Es sollen 2003 sogar schon ca. 100 konkrete Bestellungen für den A380
vorgelegen haben.



Es liegt ein offensichtliches Ermittlungsdefizit der Genehmigungsbehörde vor.
Der A380 ist ca. doppelt so schwer wie die bis dahin größten Verkehrsflugzeuge
und seine Tanks können ca. 310.000 l Treibstoff fassen.



Die Methodik, mögliche auslösende Ereignisse kleiner anzunehmen als sie sind,
in ihren Auswirkungen zu unterschätzen oder sogar ganz zu negieren, wird von
Gutachtern gern angewendet, um die Kosten für erforderliche Gegenmaßnahmen für
den Auftraggeber gering zu halten. (Probate Beispiele sind die zu niedrig
bemessenen Sturmflutmauern am AKW Fukushima, die Deichhöhen an der Unterelbe,
der Erdbebenschutz sowie als jüngstesBeispiel die zu niedrig bemessenen
Deichbesticke an der Oberelbe.)



3. Vattenfall hat zwischenzeitlich einen Änderungsantrag für das ZL Brunsbüttel
beim BfS gestellt, der noch nicht beschieden ist. Dabei soll es sich um das
Verschließen von Lüftungsöffnungen und die Errichtung von Zwischenwänden im
Inneren des ZL handeln, wodurch die Stellplatzkapazität sich von 80 auf 36
Castorbehälter verringern würde. Informationen zu diesem Genehmigungsverfahren
werden wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dem Vernehmen nach soll es sich dabei
um die Erhöhung der Sicherheit gegen terroristische Angriffe handeln.
(Vergleichbare Anträge sollen auch für die übrigen ZL in Deutschland gestellt
worden sein.)

Es stellt sich die Frage, ob sich das Gericht nur mit der Rechtmäßigkeit der
Genehmigung aus dem Jahr 2003 beschäftigen will oder auch mit der beantragten
Umrüstung, die möglicherweise deshalb beantragt wurde, um einer
Prozessniederlage zuvorzukommen.



4. Trotz dieser rechtlich unübersichtlichen Lage hatte Bundesumweltminister
Altmeier das ZL Brunsbüttel (und das ZL Unterweser, ebenfalls noch beklagt
wird) als mögliche Abstellplätze für die aus dem Ausland zurückzunehmenden
hochradioaktiven Glaskokillen benannt. Eine schnelle Entscheidung sei nötig, um
das noch unbedingt vor der Bundestagswahl zu beschließende Endlagersuchgesetz
verabschieden zu können. Durch diese Hektik ist die Rechtsprechung des OVG
zusätzlich erschwert. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat ihre
Bereitschaft erklärt, einer Lagerung des Atommülls in SH unter Bedingungen
zuzustimmen. Diese Bedingungen thematisieren aber weder die Sicherheit noch die
Geeignetheit des ZL Brunsbüttel. Auch dadurch lastet politischer Druck auf dem
Gericht, dessen Entscheidung somit Einfluss auf die Endlagersuche nehmen
könnte.



Die Initiative Brokdorf-akut hofft, dass das OVG eine gründliche Sachaufklärung
durchführt und zu einem fairen Urteil kommt.




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