Netzbetreiber veranstaltet Infomarkt in der Elbmarschenhalle / Bei der Stromtrasse für Suedlink sollen alle mitreden dürfen
Horst
19 Tennet-Mitarbeiter standen gestern Nachmittag etwa ebenso vielen Bürgern gegenüber. Aber das blieb nicht lange so. Bereits kurze Zeit nach Beginn des so genannten Informationsmarktes, zu dem der Netzbetreiber in die Elbmarschenhalle nach Horst eingeladen hatten, bildeten sich die ersten Grüppchen vor den zahlreichen Stellwänden. Dort konnten sich die Bürger über Raumwiderstandsanalyse und Bündelungsmöglichkeiten, Verknüpfungspunkte und die angewandte Methodik für die Stromtrasse Suedlink zischen Wilster und Grafenrheinfeld (Bayern) informieren. Doch im Mittelpunkt stand oft nur ein Thema: In welcher Entfernung führt die Trasse bei mir vorbei und gibt es eine Alternative ? Doch trotz aller Kritik, „der Netzausbau und Suedlink wurden bisher eigentlich nie wirklich in Frage gestellt“, berichtet Thomas Wagner, bei Tennet als Referent für Bürgerbeteiligung zuständig.
Der Auftakt in Horst sei eine von insgesamt 20 Informationsveranstaltungen, mit denen der Netzbetreiber das Projekt, mit dem der Strom aus regenerativer Energie vom Norden in den Süden transportiert werden soll, direkt zu den Bürgern trägt. Und die sollen sich möglichst intensiv beteiligen. „Für uns ist es wichtig, dass wir wohnortnah informieren und den Dialog suchen“, so Wagner. Und dafür sei genau jetzt der richtige Zeitpunkt. Vor den formalen Genehmigungsverfahren sei wirklich noch Mitarbeit und Mitsprache möglich, beteuert der Tennet-Sprecher. Das umfasse Umweltschützer, die auf den Bestand seltener Tier- oder Pflanzenarten hinweisen. Aber auch der einzelne Bürger könne melden, wenn er der Meinung sei, die Trasse laufe zu nah bei ihm vor der Haustür vorbei. „Uns ist wichtig, dass wir erfahren, wo beispielsweise der Rotmilan vorkommt. Das erspart uns später aufwändige Untersuchungen und Gutachten.“
Auch die Verschwenkung der Trasse um ein bestehendes Areal sei durchaus noch möglich. „Wir haben zum Teil kleinere Einzelgehöfte noch nicht berücksichtigt“, sagt Thomas Wagner. Bei einer Streckenlänge von rund 800 Kilometern komme es auf die eine oder andere Verschwenkung von wenigen 100 Metern nicht an, wenn sie wirklich sinnvoll sei. Zumal sich die Trasse zurzeit noch in der ersten Grobplanung befinde. Ein etwa 1000 Meter breiter Korridor zeigt bisher, auf welchem Weg 2022 der Strom in den Süden fließen soll. Vorrangig wurden bei der Planung bestehende Leitungstrassen und Autobahnen berücksichtigt.
Gerade das ist aber beispielsweise Stefan Lange ein Dorn im Auge. Der Gemeindevertreter aus Horst hat seine eigene Idee, wo Suedlink verlaufen sollte – und erntet am Tisch, auf dem die Karten mit der Planung ausliegen, zustimmendes Nicken. Dort zeichnet er mit einem rosafarbenen Textmarker seine Variante ein: Elbquerung bei Brokdorf, direkt nach Niedersachsen und dann mit einem kleinen West-Schwenk ab in Richtung Süden. „Bisher spielt der Bündelungsgedanke eine wichtige Rolle bei der Planung. Grund: Die Belastung für die Bürger so gering wie möglich halten“, erklärt Lange. So aber würden genau die Menschen noch zusätzlich belastet, die ohnehin bereits die Strommasten vor der Tür hätten. „Das wäre so, wie wenn man dir eine Autobahn vor die Tür setzt, weil da ja sowieso schon die Kreisstraße verläuft.“
Hans-Hermann Magens aus Raa-Besenbek hat ein konkretes Anliegen. Die Trasse führt direkt am Windpark in der Gemeinde vorbei. „Mich würde interessierten, wie sich Tennet das vorstellt, ob sich das vereinbaren lässt.“ Als Geschäftsführer des Windparks ist das sein drängendstes Problem. Als Landbesitzer würde er sich allerdings eine andere Trasse, weiter entfernt, wünschen. „Aber hinter der Energiewende stehen wir alle, also muss die Stromtrasse ja sein“, stellt Magens klar.
Für die Einwände der Bürger lagen viele Zettel aus – am Ende der Veranstaltung waren es deutlich weniger. Auch Stefan Lange und Hans-Hermann Magens haben ihre Bedenken zu Papier gebracht. Ob sie damit auf offene Ohren trafen, wird sich zeigen. Tennet jedenfalls will weiter auf möglichst viel Transparenz setzen. „Wenn die Planer die Anregungen aus den Infoveranstaltungen ausgewertet haben, kommen wir wieder“, verspricht Thomas Wagner. Dann sollen die Bürger in weiteren Veranstaltungen informiert werden. 2018 soll der erste Spatenstich erfolgen, zuvor muss das offizielle Genehmigungsverfahren auf den Weg gebracht werden. Bis dahin haben die Bürger Mitspracherecht.
Sönke Rother
Bürger können sich auch weiterhin mit Anregungen und Ideen per E-Mail an die Projektplaner wenden:
Suedlink in Zahlen Die Stromleitung Suedlink soll 2022 in Betrieb genommen werden und rund vier Gigawatt Strom befördern – etwa so viel wie drei große Atomkraftwerke liefern. Die Baukosten sollen sich im unteren einstelligen Milliardenbereich bewegen. Die Trasse von Wilster bis Grafenrheinfeld wird etwa 800 Kilometer lang sein.