Absage an komplette Erdverkabelung
Regionalkonferenz SuedLink: Drei Alternativen für die Querung der Elbe und eine neue Variante für die Wilstermarsch
Moorrege
Die Hoffnung, dass eine von Wilster quer durch die Kreise Steinburg und Pinneberg und dann weiter nach Bayern führende Strom-Autobahn
komplett im Erdreich verschwindet, müssen die tausende von der Trasse
betroffenen Menschen wohl endgültig begraben. Auf einer
Regionalkonferenz zum Bau der insgesamt 660 Kilometer langen SuedLink-Verbindung erteilten Bundesnetzagentur, Netzbetreiber TenneT und auch Energiewende-Minister
Robert Habeck einer durchgehenden Verlegung von Erdkabeln eine klare
Absage. Tenor: technisch nicht ausgereift und vor allem viel zu teuer.
Harbeck machte vor zahlreichen Zuhörern keinen Hehl daraus, was er von
einem Vorschlag von Ingo Rennert, Aufsichtsratsvorsitzender der
Infranetz AG aus Müden an der Aller, hält: nämlich nichts. Dieser hatte
vorgerechnet, dass Erdkabel kaum teurer als Freileitungen seien. Habeck:
„Hier vertraue ich mehr auf das Urteil unserer Experten.“ Diese gehen
von vier- bis achtmal so hohen Kosten aus.
Bleibt die Frage nach dem genauen Trassenverlauf. Im jetzigen
Planungsstadium zieht sich von Wilster aus ein tausend Meter breiter
Korridor durch die beiden Landkreise bis zur Elbe bei Hetlingen. Tennet
favorisiert diese Strecke, macht allerdings auch zwei
Alternativvorschläge. Möglich wären demnach eine Elbquerung in Höhe von
Brokdorf oder im Zuge des Baus der Autobahn 20 bei Glückstadt. Betreiber
und Genehmigungsbehörde betonten aber die eine Vorgabe des
Gesetzgebers, nach der Stromtrassen möglichst gebündelt werden – also
entlang bereits vorhandener Freileitungen verlaufen sollten. Pinnebergs
Landrat Oliver Stolz mahnte: „Man sollte die Bündelung aber auch nicht
überstrapazieren.“ TenneT-Geschäftsführer Lex
Hartmann gibt diese Devise aus: „Wir wollen so weit wie möglich weg von
den Menschen und von der Natur und so viel wie möglich bündeln.“ Im
Ergebnis könnte dabei herauskommen, dass streckenweise bald vier
Leitungen nebeneinander her laufen. In Teilbereichen gibt es nämlich
bereits zwei regionale Stromtrassen. Neben SuedLink wird parallel aber
noch eine weitere Leitung für Gleichstrom geplant, die dann von
Brunsbüttel bis ins 770 Kilometer entfernte Großgartach führen soll.
Dass die „Hauptschlagader der Energiewende“ (Habeck) für viele
Menschen eine Belastung mit sich bringt, wissen alle Akteure. Der Kieler
Minister warf die rhetorische Frage auf: „Norwegen und Bayern
profitieren – und wir schauen in die Röhre?“ Er appellierte dann an den
Gemeinsinn der Menschen und forderte, dass die gesamte Gesellschaft das
eben mit tragen müsse. „Und wo bleibt das Schutzgut Mensch?“ warf die
Hohenfelder Bürgermeisterin Marion Gaudlitz ein. Lex Hartmann verwies
auf einen 40 Punkte umfassenden Kriterienkatalog für die Trassenauswahl.
Eine Gewichtigung werde von TenneT hier aber nicht vorgenommen.
Steinburgs Landrat Torsten Wendt zeigte sich am Ende aber dennoch
zufrieden. Sein Eindruck: Hier werde ein offenes und faires
Planungsverfahren betrieben. Besonders erfeut zeigte er sich darüber,
dass jetzt mit Brokdorf und Glückstadt zwei weitere Elbquerungsvarianten
wieder im Rennen sind.
Auch TenneT betont, dass sie alle Hinweise von Politik, Verbänden und
aus der Bevölkerung sehr ernst nehme, genau prüfe und eventuell in die
Planung mit einbeziehe. So wurden jetzt erstmals zwei kleinere
Alternativvarianten für den Trassenverlauf in der Wilstermarsch und im
Raum Uetersen präsentiert. Insbesondere der modifizierten Marschtrasse
werden aber nur geringe Chancen eingeräumt.
Bundesweit hat es auf Infomärkten bereits 3000 Fragen, Hinweise und
Anregungen zur Trassenführung gegeben, darunter 141 aus Schleswig-Holstein.
Abstandsregelungen zur Wohnbebauung, die Betroffenheit sensibler
Einrichtungen wie Altenheime und Kindergärten standen dabei ganz oben
auf der Liste. Zu den häufigsten Anmerkungen gehörten allerdings Fragen
nach Bedarf und Notwendigkeit. Hier ließen die Sprecher aber keinen
Zweifel aufkommen. Dazu Achim Zerres, Abteilungsleiter
Energieregulierung bei der Bundesnetzagentur: Das vorhandene Netz wäre
nach dem Abschalten auch der letzten Kernkraftwerke mit dem
Stromtransport quer durch die Republik restlos überlastet.
Volker Mehmel