Prokons Zukunft: Wahlkampf um die Anleger
Zwei höchst ungleiche Kontrahenten kämpfen um die Gunst der Gläubiger der Windenergie-Firma
Hamburg/dpa
In einem der größten Insolvenzverfahren der deutschen
Wirtschaftsgeschichte rückt der Showdown näher. Am 2. Juli werden sich
in einer Hamburger Messehalle die Gläubiger von Prokon versammeln, um
über die Zukunft des insolventen Windenergie-Unternehmens
zu entscheiden. Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin will ihnen zwei
Alternativen zur Abstimmung vorlegen: das Kaufangebot des
Energiekonzerns EnBW über 550 Millionen Euro und ein
Genossenschaftsmodell. Bis zur entscheidenden Versammlung versuchen die
Kontrahenten, ihre Truppen zu sammeln und eine Mehrheit für ihr
jeweiliges Modell zu gewinnen.
„EnBW ist für uns natürlich der Goliath“, sagt Rainer Doemen vom
Verein „Die Freunde von Prokon“. Rund 10 500 von insgesamt 75 000
Anlegern haben sich hier zusammengefunden, die weiter auf Windkraft,
erneuerbare Energien und das ökologische Projekt setzen, das mit dem
Namen Prokon verknüpft war. „Wir sehen in der Genossenschaft aber auch
wirtschaftlich die attraktivere Alternative gegenüber dem Verkauf an
EnBW“, meint Doemen. Als Genossen könnten die Anleger langfristig von
den Erträgen eines gesunden und zukunftsfähigen Unternehmens
profitieren. Das Angebot von EnBW sei deutlich zu niedrig.
Das sieht man in Karlsruhe am Hauptsitz des Konzerns natürlich ganz
anders. „Der Markt verändert sich, und der Wettbewerb wird sich deutlich
verschärfen“, schrieb EnBW-Chef Frank Mastiaux an die Prokon-Anleger. „Neben Erfahrung im Windgeschäft werden künftig energiewirtschaftliches Know-how
und Finanzkraft wesentliche Erfolgsfaktoren sein. Beides bringt die
EnBW mit.“ Mastiaux und sein Finanzchef Thomas Kusterer betonen immer
wieder, dass die Anleger sofort eine Zahlung erhalten würden, mit der
Genossenschaftslösung aber ein unternehmerisches Risiko verbunden sei.
Für die Beschäftigten und die Geschäftspartner von Prokon sei der
Verkauf an EnBW deshalb die bessere, weil sichere Lösung.
EnBW will durch Zukauf
Windkraft-Sparte massiv stärken
Mastiaux will sich die 54 Prokon-Windparks
mit 318 Windkraftwerken und insgesamt 537 Megawatt Leistung unbedingt
einverleiben. Bislang hat EnBW an Land in Deutschland erst 200 Megawatt
an Windenergie-Leistung installiert; bis 2020
sollen es 2000 Megawatt sein. Um die Anleger zu überzeugen, setzt EnBW
auf großformatige Anzeigen in Tageszeitungen, eine Medienoffensive und
die persönliche Ansprache der Anleger. Sie sind eingeladen zu drei
Informationsveranstaltungen in Berlin, Hamburg und Ulm, jeweils mit
Catering zum Abschluss.
Den ehrenamtlichen Funktionären der „Freunde von Prokon“ stehen
solche Mittel nicht zur Verfügung. In einem Kraftakt haben sie dennoch
eine Roadshow auf die Bühne gestellt, mit rund 25 Veranstaltungen in
bescheidenem Rahmen in Gasthäusern, Bürgerzentren und Uni-Hörsälen
quer durch die Republik. Damit das von ihnen angestrebte
Genossenschaftsmodell Realität werden kann, müssen sie schon im Vorfeld
mobilisieren. Es kommt nur zur Abstimmung, wenn nominal rund 660
Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung stehen. Dazu müssen genügend
Anleger bis zum 26. Juni rechtsverbindlich erklären, dass sie ihr
Genusskapital in die Genossenschaft einbringen.
Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Das Abstimmungsverhalten der 75
000 Anleger hängt von den persönlichen Motiven jedes einzelnen ab. „Wer
den ursprünglichen Genussschein von Prokon als reine Geldanlage
betrachtet hat und von einer planbaren Rückzahlung abhängig ist, sollte
nicht für die Genossenschaftslösung stimmen“, sagt Michael Herte von der
Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Wer
ein unternehmerisches Risiko nicht scheut und von der Zukunftsfähigkeit
der neuen Prokon überzeugt ist, kann dafür stimmen.“