Atommüll nach Brokdorf – aber ist dort genug Platz?
Minister Habeck widerspricht Zahlen seiner Bundeskollegin Hendricks – und kritisiert Bayerns „ewiges Nein“
Brokdorf
Der Kieler Umweltminister Robert Habeck hat gestern die Pläne seiner
Bundeskollegin Barbara Hendricks für die Zwischenlagerung von Atommüll
„begrüßt“. Wie berichtet will Hendricks 26 Castor-Behälter, die ab 2017 von der Wiederaufbereitung im Ausland zurückkehren, auf vier Standorte in Schleswig-Holstein, Hessen, Baden-Württemberg
und Bayern verteilen. Sechs oder sieben Castoren sollen nach Brokdorf
an der Unterelbe. Ob dafür im dortigen Zwischenlager allerdings genug
Platz ist – darüber gehen die Ansichten von SPD-Politikerin Hendricks und dem Grünen Habeck auseinander.
Hendricks oberster Atomaufseher Wolfgang Cloosters sagte gestern: „Im
Zwischenlager Brokdorf sind 23 Stellplätze verfügbar – diese Plätze
könnten für die Castoren genutzt werden.“ Habeck macht dagegen eine
andere Rechnung auf: Von den 100 Plätzen in Brokdorf sind 26 belegt. 53
weitere sind für den Atommüll aus dem sechseinhalbjährigen Restbetrieb
des Brokdorfer Meilers reserviert. Bleiben 21 Plätze. Die allerdings
werden womöglich für den Atommüll aus dem benachbarten Brunsbüttel
benötigt. Denn das dortige Zwischenlager ist gerichtlich für
rechtswidrig erklärt worden. Würde Betreiber Vattenfall daher sowohl die
9 Castoren aus dem dortigen Zwischenlager als auch die 11 bis 12
Castoren mit den beim Rückbau des Brunsbütteler Reaktors zu entsorgenden
Brennstäben nach Brokdorf bringen, wäre kein Platz mehr für Castoren
aus dem Ausland.
Habeck forderte daher rasches Handeln: „Vattenfall muss zügig
entscheiden, wie es mit Brunsbüttel weitergehen soll.“ Der Rückbau des
stillgelegten Kernkraftwerks dürfe sich nicht verzögern. Daher müsse
zuerst eine Lösung für dessen Atommüll her. „Wenn danach noch Platz in
Brokdorf ist, könnten diese Stellplätze für andere Castoren genutzt
werden“, sagte Habeck.
Gleichzeitig kritisierte der Minister den Widerstand aus Bayern gegen
Hendricks’ Pläne. Dort hatte Ministerpräsident Horst Seehofers
Staatskanzleichef Marcel Huber gestern geschimpft, dass die „einseitigen
Festlegungen“ von Hendricks „politisch unklug und dreist“ seien. Der
Bund stelle damit „eine Einigung bei der Energiewende insgesamt
infrage“. Ins bayrische Zwischenlager Isar bei Landshut sollen bis zu
neun Castoren. Habeck sagte zum Protest aus München: „Zum ewigen Nein
aus Bayern fällt mir nichts mehr ein.“ Erst wolle Seehofer keine
Stromleitungen zur Absicherung des Atomausstiegs, nun lehne er auch noch
die Verantwortung für den alten Atommüll aus seinem Land ab.
„Seehofer“, wetterte Habeck, „entwickelt sich zum Dr. No der Politik.“
Daher müsse Kanzlerin Angela Merkel jetzt „auf den Tisch hauen und
Bayern sagen, was Sache ist“.
Henning Baethge