Atomausstieg – nicht um jeden Preis
Kernkraftwerk Brunsbüttel:
Entscheidungsträger informieren sich bei dreitägiger Erörterung / 897
Personen haben Einwände eingereicht
Brunsbüttel
„Ich habe eine große Befürchtung: Wenn rumgewühlt wird, gibt es Staub
und Staub sind Strahlen“, sagt Alma Kleist aus Burg. Sie spricht vom
Kernkraftwerk Brunsbüttel, das über einen langen Zeitraum zurückgebaut
werden soll. Wie sie sind hunderte Anwohner aus Brunsbüttel und Umgebung
besorgt. Sie haben Einwände gegen den Rückbauplan, den die Vattenfall
GmbH als Betreiber des Kernkraftwerks vorschlägt. Ihre Bedenken werden
jetzt von der Behörde, die über den Vattenfall-Antrag
von Landesseite entscheidet, aufgenommen und angehört. Noch bis morgen
tagen die Beteiligten an dem Verfahren zusammen mit 897 Institutionen
und Bürgern, die fristgerecht schriftlich ihre Bedenken eingebracht
haben im Elbeforum Brunsbüttel.
Dass das längst stillgelegte Kernkraftwerk langfristig zurückgebaut
werden soll, darüber sind sich zwar alle einig, doch nun geht es um das
wie und darum, ob es auf dem Gelände des Kraftwerks ein Endlager für
schwach- und mittelradioaktive Abfälle geben soll. Dies bestätigte auch
nochmals der Generalbevollmächtigte der Vattenfall Pieter Wasmuth und
hängte gleich entschuldigende Worte mit an: „Ich versichere ihnen, dass
wir gerne darauf verzichtet hätten“, doch bedingt durch die logistischen
Gegebenheiten sei es nicht anders möglich.
Dass radioaktive Abfälle zurückbleiben sollen, stört die Einwender
sehr: „Wir wollen eine Garantie, dass wir davon wieder befreit werden,
denn unsere Niederungen sind gar nicht für ein Endlager geeignet“,
wendet sich die Burgerin Alma Kleist besorgt direkt an Umweltminister
Dr. Robert Habek. Ein ähnlich flammendes Plädoyer brachte der
Umweltschützer Dr. Karsten Hinrichsen vor. „Natürlich wollen wir alle,
dass das AKW Brunsbüttel zurückgebaut wird, aber nicht um den Preis,
dass wir alle verseucht werden“, stellte er fest. „So ein
Erörterungstermin sollte aus meiner Sicht dazu dienen, dem
Strahlenschutz Vorrang zu geben vor den wirtschaftlichen Interessen von
Vattenfall“, wünscht er sich.
„Die Minimierung der Strahlung sehen wir bis jetzt nicht“, warf auch Rainer Guschel aus dem BUND-Landesvorstand
ein. „Der BUND wird dieses Verfahren sehr aufmerksam verfolgen und
notfalls auch juristische Konsequenzen ziehen“, machte er deutlich.
Hinrichsen ärgerte sich besonders darüber, dass sich die Politik von
der „dreisten“ Antragsstellung des Kraftwerkbetreibers habe unter Druck
setzen lassen. Doch das wies Umweltminister Robert Habeck entschieden
zurück. „Mir jedenfalls hat Vattenfall nicht gedroht“, stellte er klar.
Auch aus dem Ministerium sei ihm nichts derartiges zu Ohren gekommen.
„Der Vorwurf, dass wir Strahlenschutz gering achten würden und dass wir
Günstigkeits und Billigkeitsüberlegungen Vorrang einräumen würden, ist
falsch! Es geht bei all dem, was wir tun darum, die größtmögliche
Sicherheit zu gewährleisten“, merkte er an und räumte ein: „Wir, die
Gesellschaft, haben einen historischen Fehler begangen, aber er wird
nicht geringer, wenn wir nicht versuchen, dieses Problem jetzt zu
lösen“. Ein Atomkraftwerk bestehe bis zu 97 Prozent auch aus nicht
radioaktiv belastetem Material, so der Minister. Dieses Material müsse
aus Praktikabilitätsgründen und weil es nicht radioaktiv verseucht ist,
anders behandelt werden. „Die Kritik an der Atomkraft darf nicht dazu
führen, dass wir handlungsunfähig werden bei der Beendigung er
Atomkraft.
Eine Entscheidung über den Vattenfall
-Antrag ist
als Ergebnis des Erörterungstermins nicht vorgesehen. Die Veranstaltung
diene in erster Linie der Informationsgewinnung der Genehmigungsbehörde
und weniger der Bürgerinformation, erklärte Verhandlungsleiter Dr. Dr.
Jan Backmann, Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit und Strahlenschutz
im Umwelt
-Ministerium. Das Verfahren ist bis 2017 angesetzt, dann soll es eine Entscheidung geben.
Kerstin Asmussen