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Inspekteure suchen rostige Atomfässer
Ministerium fürchtet, dass in Brunsbüttel weitere Behälter beschädigt sind
Kiel /ky
Es geht um genau 631 Fässer. Sie liegen in Kavernen direkt unter dem
Kernkraftwerk Brunsbüttel. In ihnen lagern seit Jahren atomare Abfälle,
aber niemand weiß wie sicher sie verpackt sind, seit vor fast zwei
Jahren Tüv-Inspekteure ein stark verrostetes Fass gefunden haben.
Gestern hat der Betreiberkonzern Vattenfall begonnen, die Fässer mit
dem schwach- und mittelradioaktiven Müll in den Kavernen mit einer
Spezialkamera zu untersuchen. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass
noch weitere Fässer derart stark von Rost befallen sind, dass sie nicht
ohne Weiteres angehoben werden können“, sagt Nicola Kabel, Sprecherin
des Energiewendeministeriums in Kiel. Vattenfall wolle dazu nichts
sagen, es habe aber bei Kontrollen keine Auffälligkeiten gegeben, so
Konzernsprecherin Sandra Kühberger. Wenn Vattenfall bei der Untersuchung
herausfinden sollte, dass auch andere Fässer beschädigt sind, müsse der
Konzern für eine neue Bergetechnik sorgen.
Die Inspektion soll einige Wochen dauern. Laut Nicola Kabel sind
„alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen
getroffen, um den Strahlenschutz für das Personal wie für die
Bevölkerung zu gewährleisten“. Auch die Arbeiten an den geöffneten
Kavernen seien unbedenklich. Die Kosten für die Inspektion trägt
Vattenfall.
Seit erste Abfälle wie Filterharze, Bauschutt oder
Verdampferkonzentrate Anfang der 80er Jahre anfielen, wurden die Fässer
mit ihnen gefüllt und in die Kavernen gebracht, so Kühberger. „Es hat
danach immer mal wieder Umlagerungen gegeben – zuletzt vor zwei Jahren,
als das korrodierte Fass gefunden wurde.“ Um den Atommüll aus den
Kavernen endzulagern muss er umverpackt werden. Zum Teil ist das in der
Vergangenheit schon geschehen, einige Castorbehälter wurden mit den
Abfällen beladen und in die ebenfalls auf dem Gelände befindliche
Transportbereitstellungshalle gebracht. Denn die Kavernen aus Beton
seien „konzeptionell nicht für eine längerfristige Aufbewahrung
vorgesehen gewesen“, sagt Kühberger. Eigentlich hätten die Abfälle
längst ins dafür vorgesehene Endlager Schacht Konrad in Niedersachsen
gebracht werden sollen, das allerdings immer noch nicht in Betrieb ist.
„Aktuell rechnet das Bundesumweltministerium damit zwischen 2021 und
2025“, so Kühberger.
Wie ein Umladen des strahlenden Mülls aus verrosteten Fässern in
sicherere Behälter möglich gemacht werden kann, muss Vattenfall klären,
wenn die Inspektionen abgeschlossen sind. Experten rechnen damit, dass
es Jahre dauern kann, diese Technik zu entwickeln.
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Suche nach Fass ohne Boden
Energiekonzern prüft atomare Strahlung und Sicherheit des Bauwerkes unter dem Kernkraftwerk Brunsbüttel
Brunsbüttel
Los geht es in Kaverne vier von sechs. Dort haben Techniker gestern
damit begonnen, nach verrosteten Atommüllfässern zu suchen, die unter
dem Kernkraftwerk Brunsbüttel lagern könnten. Zwei Jahre nachdem ein
korrodiertes Fass mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall gefunden
wurde, ist der Energiekonzern Vattenfall nun nach eigener Aussage in der
Lage, die Sicherheit genau zu überprüfen. Eine 35 000 Euro teure
Spezialkamera wird an einem Kran in die unterirdischen Betonkavernen
hinabgelassen und kann sich um 360 Grad drehen. Damit soll auch das
ganze Bauwerk, das nur von oben zugänglich ist und in den 70er Jahren
entstand, überprüft werden. „Die Entwicklung der Kamera war sehr
aufwändig, weil sie klein genug und lichtstark sein und der Strahlung
standhalten musste“, sagt Vattenfall-Sprecherin
Sandra Kühberger. Kompliziert sei es gewesen, den Hebekran für die 110
Zentimeter dicken Betondeckel der Kavernen umzurüsten, so die Sprecherin
des Energiewendeministeriums in Kiel, Nicola Kabel. Die Deckel sorgen
dafür, dass weniger Strahlung nach außen dringt. Für die Inspekteure
bestehe aber keine Gesundheitsgefahr, wenn die Deckel geöffnet werden,
so Kabel.
Die Suche nach den beschädigten Fässern war ins Rollen gekommen, als bei einer TÜV-Kontrolle
im Jahr 2011 ein verrostetes Fass gefunden worden war. Vattenfall
wusste das seit dem 15. Dezember, hatte die Atomaufsicht in Kiel aber
erst rund vier Wochen später darüber informiert. In einer Kaverne waren
nach Angaben der Kieler Atomaufsicht im Jahr 2012 bis zu 500
Millisievert Strahlenbelastung je Stunde gemessen worden. Ein
Arbeitnehmer in einem Kernkraftwerk darf maximal 20 Millisievert
Strahlung im Jahr ausgesetzt sein. Den hohen Wert erklärt das
Ministerium damit, dass die Strahlenbelastung an der Oberfläche der
Fässer durchaus zwischen 10 und einigen hundert Millisievert variieren
kann. „Daher sind 500 Millisievert pro Stunde zwar ein hoher, aber
durchaus vorkommender Wert. “
Kay Müller
Weitere Fragen und Antworten unter www.schleswig-holstein.de/UmweltLandwirtschaft – Menü links: „Reaktorsicherheit, Stahlenschutz“ – Menü rechts: „FAQ zum Fund korrodierender Stahlblechfässer“
Mit einer extra konstruierten Spezialkamera sollen die eng gestapelten Fässer in den Kavernen auf Schäden untersucht werden.