Kraftwerksgegner lassen nicht locker
Seit einem Jahr kämpft die Bürgerinitiative aus der Wilstermarsch gegen Kohlekraftwerke – aufgegeben wird nicht.
Wilstermarsch/Brunsbüttel
– Bis zu drei Kohlekraftwerke in Brunsbüttel plus ein
Industrieheizkraftwerk, das so genannte Ersatzbrennstoffe verfeuert –
für Viele ein Schreckgespenst. Deshalb gründete sich in der
Wilstermarsch, wo die Menschen sich besonders von den Plänen in
Brunsbüttel betroffen sehen, vor fast genau einem Jahr die
Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe.
Die Bilanz des Kampfes gegen große Kraftwerke und die befürchteten
Folgen für Umwelt und Gesundheit fällt insgesamt positiv aus. Auch wenn
Stephan Klose aus Wewelsfleth zugibt: „Es ist ein Problem dieser
Initiative, die konkrete Bedrohung plausibel zu machen.“
Klose weiß, dass es ihm und seinen Mitstreitern nicht immer leicht
fällt, in der Diskussion um Grenzwerte von Schadstoffen und
Partikelgrößen von feinen Stäuben im Zusammenhang mit den Kraftwerken
alle Betroffenen zu erreichen. Genau deshalb schreibe die
Bürgerinitiative Information groß, so wie kürzlich, als im Elbeforum
ein Toxikologe und drei Ärzte vor den Gefahren durch
Kraftwerksemissionen warnten. Über 120 Interessierte hatten sich
eingefunden. Ähnlich groß auch die Zahl der Teilnehmer der ersten
Sonnabend-Demonstration am vorigen Wochenende
in der Schleusenstadt. Zwei weitere Demos sollen folgen. Initiiert
werden diese Protestmärsche durch Brunsbüttel von Pastor Martin Storm,
der den Namen der Initiative um den Zusatz „Brunsbüttel“ erweitert hat.
Erste Zeichen für ein langsam einsetzendes Umdenken sieht Stephan
Klose auch in der lokalen Politik. Bei den Beratungen über den
Bebauungsplan für die belgische Electrabel haben, wie berichtet, zwei
CDU-Mitglieder des Brunsbütteler Bauausschusses gegen das seit langem in der Stadt diskutierte Vorhaben gestimmt.
Es ist aber nicht alles eitel Sonnenschein für die Initiative aus
der Wilstermarsch. So wundert sich Klose, dass etwa aus den Reihen der
Landwirtschaft bislang kaum Protest gegen die Pläne im benachbarten
Industrierevier laut wird. Dabei müssten doch gerade die Bauern ein
Interesse daran haben, dass auf ihre Ländereien nicht aus den
Kraftwerksschloten Schadstoffe niederregnen, meint auch Karsten
Hinrichsen. Der Brokdorfer sagt: „Die Schwermetalle bleiben über
Generationen im Boden, die Kohlekraftwerke laufen aber nur 40 Jahre.“
Schwer verdaulich dürfte für die Initiative auch die Antwort aus dem
Kieler Innenministerium auf Hinrichsens Frage sein, welche alten
Kohlekraftwerke denn abgeschaltet werden, wenn die neuen in Brunsbüttel
stehen: keine. Denn die Anlagen erhielten eine unbefristete
Betriebsgenehmigung.
Auch der wahrscheinliche Rückzug der Gemeinden aus der Wilstermarsch
als Sponsoren für von der Initiative angestrebte Prozesse dürfte den
Kraftwerksgegnern wenig gefallen: Nachdem die Erfolgsausssichten einer
Klage gegen den rechtskräftigen Bebauungsplan für das von der
Südweststrom geplante Kohlekraftwerk als äußerst gering eingestuft
werden, sehen die Gemeinden kaum noch Anlass, Geld locker zu machen.
Doch davon lassen sich die Klimaschützer nicht irritieren. Sie
wollen jetzt in der Schweiz auf ihr Anliegen aufmerksam machen, dem
Sitz des Stromkonzerns Rätia. Hinrichsen, Klose und Dr. Arne Firjahn
wollen die Eidgenossen davon überzeugen, sich nicht über Südweststrom
in Brunsbüttel zu engagieren. Denn: Rätia verkauft „grünen Strom“ nach
Deutschland.
Und sollte die Ratsversammlung der Schleusenstadt nächste Woche wie erwartet den B-Plan
für das Kraftwerk von Electrabel auf den Weg bringen, werde die
Initiative auch dagegen kämpfen. Stephan Klose weiß: „Man muss Geduld
haben.“ RALF PÖSCHUS