Zum Artikel „B-Plan 56 -
beschlossene Sache“ vom 25. Juni Es ist
vielleicht einmal nötig, sich über den Begriff der „Irrelevanz“
klar zu werden, den Bürgermeister Hansen da so selbstverständlich für
die angebliche Sauberkeit der Kohlekraft ins Feld führt: „Wir sind weit
unter den Schwellenwerten – bis hin zur Irrelevanz“, sagte Hansen in der
Ratsversammlung, die den B
-Plan für
Südweststrom (zwei Riesenkohleblöcke à 910 MW) beschloss. Was bedeutet
diese Irrelevanz (Unerheblichkeit, Geringfügigkeit)? Die
Irrelevanzschwelle ist eine per Gesetz/Verordnung festgelegte Grenze,
unterhalb derer ein Giftstoff nicht mehr diskutiert werden muss.
Zurückgehend auf ein Gesetz aus dem Jahr 1974 wird dies heute über die
13. Bundesimmisionsschutz
-Verordnung geregelt,
die mittlerweile auch auf das Jahr 2003 zurückdatiert. Nun sind
inzwischen über Dioxine (Stichwort Schafsleber), Feinstäube, Quecksilber
und andere Gifte viele neue, zum Teil alarmierende Erkenntnisse
gesammelt worden, auf die einige unserer europäischen Nachbarn bereits
reagiert haben. Deutschland leistet sich im europäischen Vergleich bei
vielen Stoffen deutlich höhere Grenzwerte als die Nachbarn, die daher
folgerichtig versuchen, ihre schmutzigen Kohle
-Anlagen
- daheim verboten - bei uns zu bauen: Hier seien Schweizer und
Franzosen genannt, die ja in Brunsbüttel an den KoKW
-Planungen
beteiligt sind. Anderswo in Deutschland sind es Belgier und Dänen.
Einige Stoffe mögen unter der amtlichen deutschen Irrelevanzschwelle
liegen – ungefährlich sind sie deshalb keineswegs; vieles ist kaum
erforscht, Zehntausende von chemischen Verbindungen, die aus den
Schloten kommen, sind weder bekannt noch untersucht. Die Älteren von uns
können sich noch gut an den sorglosen Umgang mit dem „gänzlich
ungefährlichen“ DDT erinnern, oder? Wie empfinden wir, die Bevölkerung,
dann über 1200 Kilo Quecksilber jährlich, sollten in Brunsbüttel vier
Blöcke gebaut werden? Ein Stoff, der die Nervenzellen angreift und das
ungeborene Kind (Kalb? Lamm? Fohlen?) unwiderruflich schädigen kann? Wie
geht es uns mit hunderten Kilo Arsen, Blei, Cadmium – alles jährlich!
Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt? Über 1000 Tonnen Feinstaub pro
Jahr. Wohlgemerkt: alles trotz Filtern! Fallen diese aus, darf fünf Tage
ungefiltert gefahren werden – eine Verdreifachung aller Jahres
-Giftwerte wäre die Folge. Feinstaub, den wir atmen,
der sich mit den anhaftenden Giften in die Lungen und auf die Landschaft
senkt und sie schleichend für die Landwirtschaft entwertet? Die
erlaubten anachronistischen Werte sind das Problem – und die
(Lokal-)Politiker, die sich stur darauf berufen. Geld gegen Gesundheit -
wer da wohl gewinnt? Oder ist auch das irrelevant?
Stephan Klose, BI Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe