NORDDEUTSCHE RUNDSCHAU

 

Große Sorgen wegen Quecksilber

25. Februar 2011 | 04:30 Uhr | Von Volker Mehmel


Holcim-Werkleiter Morten Holpert erläutert vor Bürgermeistern und Gemeindevertretern die Pläne des Zementunternehmens. Foto: vm

Breitenburgs Amtsvorsteher Jörgen Heuberger gab die Marschrichtung vor: "Seit 150 Jahren leben wir in der Region mit der Zementindustrie. Da geht es um Arbeitsplätze. Aber im Genehmigungsverfahren müssen wir für unsere Bürger auch das Bestmögliche herausholen." Im Kern geht es um die behördliche Erlaubnis für den Lägerdorfer Zementhersteller Holcim, den Einsatz von Ersatzbrennstoffen im Zementofen 11 von derzeit bis zu 75 auf dann 100 Prozent auszuweiten. Unter anderem sollen dort gewaltige Mengen von Klärschlämmen zum Einsatz kommen. Vor Bürgermeistern und Gemeindevertretern der unmittelbar betroffenen Gemeinden aus den Ämtern Breitenburg und Krempermarsch erläuterten Unternehmens-Vertreter auf einer Veranstaltung in Oelixdorf jetzt noch einmal die Erweiterungspläne. Werkleiter Morten Holpert bezifferte das Investitionsvolumen auf insgesamt rund 12,6 Millionen Euro. Die Bandbreite der vorgesehenen Ersatzbrennstoffe reicht von Altöl über Gewerbeabfälle und Sortierreste bis hin zu Dachpappe und Tiermehl. Ein neuer Schwerpunkt liegt im Einsatz von kommunalem Klärschlamm, der aus einem Umkreis von rund 100 Kilometern rund um Lägerdorf herbeigeschafft werden soll. Nach Darstellung der Holcim-Vertreter würden auch künftig die erlaubten Grenzwerte unterschritten werden - in vielen Bereichen sogar deutlich.

Ein wesentlicher Knackpunkt bleibt der Ausstoß von Quecksilber. Holcim beantragt eine jährlich mögliche Menge von bis zu 259 Kilogramm. Morten Holpert betonte, dass es sich hierbei nicht um eine tatsächliche Belastung, sondern vielmehr um eine eher rechnerische Größe und um eine Frage der Prozesssicherheit handele, die auf die natürliche Schwankungsbreite bei der Inhalten der eingesetzten Rohstoffe zurückzuführen sei. "Das ist ein Bereich, den wir nicht beeinflussen können." Auch Werksingenieur Burkhard Wolf betonte, dass alle erlaubten Grenzwerte "sicher eingehalten werden". Die bei Müllverbrennungsanlagen eingesetzte so genannte Aktivkohle-Eindüsung, um den Ausstoß von Quecksilber zu minimieren, kommt für Holcim allerdings nicht in Betracht. "Das ist in der Zementindustrie nicht Stand der Technik", sagte Wolf, der erkennen ließ, dass ein solches Verfahren zu unerwünschten Problemen mit der Zementqualität führen könnte.

Für den von den Gemeinden engagierten Fachberater Stefan Greuner-Pönicke war diese Auskunft eher unbefriedigend. "Da geht noch mehr", stellte er fest, um dann bei einer ganzen Reihe von Punkten nachzuhaken. Unter anderem beklagte er ein aus seiner Sicht unzureichendes Netz von Messpunkten. Gar nicht mehr im Untersuchungsbereich (Fünf-Kilometer-Radius) enthalten sei eine Gemeinde wie Westermoor, obwohl auch dort die Menschen betroffen seien. Daneben vermisste der Gutachter auch insgesamt eine gründlichere Betrachtung des Quecksilber-Komplexes. So gebe es keinerlei Prognosen für besonders neuralgische Bereiche wie Schulen oder Kindergärten. Greuner-Pönicke merkte mit Hinweis auf mögliche Folgen für die Nahrungskette zudem an: "Immerhin geht es auch um eine Verdoppelung der Werte in Regionen, wo keine Menschen leben, es aber Milchvieh gibt." Er betonte, dass es sich hier schließlich um eine Genehmigung für einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren handele. Unklar ist auch, ob und in welchem Umfang es Vorbelastungen gibt. Auf Nachfragen besorgter Landwirte gab es hier keine klaren Antworten. Ein Bauer meinte denn auch: "Meine Ängste wegen des Quecksilbers wurden mir nicht genommen." Abschließend meinte dann der Fachberater: "Insgesamt will ich die Genehmigung aber nicht in Frage stellen. Es fallen ja auch nicht gleich Fledermäuse vom Himmel. Dennoch muss alles an Auswirkungen, Veränderungen und möglichen Folgen auch dargestellt werden."

Einige offene Fragen dürften noch bei näherer Betrachtung der insgesamt sechs bereitgehaltenen Aktenordner beantwortet werden. "Auch das Thema Fledermäuse ist dort abgehandelt", sagte Morten Holpert. Allerdings werden sich Gutachter und Gemeinden hier sputen müssen. Bis spätestens 8. März müssen die Stellungnahmen abgegeben werden. Eine wesentliche Rolle dürfte dabei insbesondere aus Münsterdorfer Sicht auch eine möglich Verkehrsbelastung spielen. Laut Holcim ist durch die verstärkten Anlieferungen von Ersatzbrennstoffen zwar nur mit einem vergleichsweise gering erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen, das noch dazu in der Regel über den Autobahn-Zubringer abgewickelt werde. Kritisch hinterfragt wurde allerdings der Umstand, dass von dem Unternehmen herausgezogene Verkehrszahlen älter als fünf Jahre sind und die Lkw-Sperrung auf der Landesstraße 116 gar nicht berücksichtigt wurde. In den nächsten Wochen soll es allerdings neue Verkehrszählungen geben, deren Ergebnisse eventuell noch in das Verfahren einfließen können.

Angesichts der zum Teil schon sehr ins Detail gehenden Diskussion in Oelixdorf merkte Holcim-Umweltingenieur Torsten Krohn schließlich mahnend an, dass man jetzt nicht den Erörterungstermin schon vorwegnehmen wolle. Der wird voraussichtlich im Juni stattfinden. Dann werden alle Einwendungen der Gemeinden, der Träger öffentlicher Belange und von Umweltverbänden behandelt.

Bookmarks
Icon Facebook
Icon Twitter
Icon Myspace
Icon Mister Wong
Icon YiGG
Icon Linkarena
Icon Webnews
Icon Delicious


Leserkommentare

 


Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden

Warum muss ich mich anmelden/registrieren?

shz.de distanziert sich prinzipiell von allen in den Leserkommentaren geäußerten Meinungen ohne Rücksicht auf deren Inhalte. Alle Beiträge in den Leserkommentaren geben ausschließlich die persönlichen Ansichten und Meinungen der User wieder.

Bitte beachten Sie unsere Richtlinien für Kommentare!

Lokalausgabe wählen

 

Newsticker Nord

 

Aus dem Polizeibericht

 

Meistgelesene Artikel

 
INSTITUT50PLUS
Lebendig leben...
Angebote für eine aktive Lebensgestaltung
 
SUCHE
SUCHE AUF SHZ.DE

HÄUFIG GELESEN

"Es steht praktisch alles still im Norden"

Die heutigen Streiks trafen die Bahnunternehmen noch härter als am Dienstag. Bis 11.30 Uhr ging so g ...mehr

 
 

Weitere Online-Angebote des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags:

Nordclick | Schweriner Volkszeitung | Norddeutsche Neueste Nachrichten | Der Prignitzer | Pinneberger Tageblatt | Quickborner Tageblatt | Schenefelder Tageblatt | Wedel-Schulauer Tageblatt | Barmstedter Zeitung | Handballwoche | Nord Sport | Sportmikrofon | Lokalschnack | Ge-Zeiten | Unter Nachbarn | Flensburg City | Schleswig-Holstein am Sonntag | Die Wochenschau | HALLO Wochenblätter | Hallo Sylt | Umschau | shp Schleswig-Holstein Presse | NordBrief


VERLAG | MEDIADATEN | KONTAKT | IMPRESSUM | AGB | DATENSCHUTZ