Rotenburger Rundschau, 20.06.2008
"Doppelte Fehlinvestition“
Grüne gegen Kohlekraftwerkspläne der Stadtwerke
Die Rotenburger Grünen sind gegen eine Beteiligung der Stadtwerke (SR) am Bau des neuen Kohlekraftwerks im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel. Manfred Radtke, Fraktionsvorsitzender der Partei im Stadtrat, hält den geplanten Einstieg der SR für eine "doppelte Fehlinvestition – finanziell und ökologisch.“
Hintergrund: Vergangene Woche hatte die Geschäftsführung des sich zu 100 Prozent im Besitz der Stadt befindenden Unternehmens bekannt gegeben, 7,5 Millionen Euro in den Neubau zu investieren (Die Rundschau berichtete). 2012 soll das Werk den Betrieb aufnehmen.
Damit wolle man die Strompreise für die Rotenburger Kunden vergleichsweise günstig halten. Hinzu komme die größere Unabhängigkeit von den marktbeherrschenden großen Energieunternehmen in Deutschland einerseits und den zu erwartenden erheblichen Preisanstiegen für Energie allgemein. Außerdem werde durch die Energieproduktion aus Kohle die Versorgungssicherheit erhöht, so Peter Möhl, Geschäftsführer der SR.
Die von Möhl als weiterer Grund herangeführte "hohe Energieeffizienz des Kraftwerks mit einem Wirkungsgrad von bis zu 48 Prozent“, lässt der Grüne Radtke nicht gelten. Sollte in Zukunft die Abtrennung von CO2 möglich sein, reduziert sich der Wirkungsgrad der Anlage um bis zu 15 Prozentpunkte. Mit der Folge, so Radtke mit Verweis auf eine von der Bundesregierung erstellte Studie, "dass ein zusätzlicher Brennstoffbedarf von bis zu 40 Prozent nötig ist.“
Die Grünen begrüßen ausdrücklich das Ziel der Stadtwerke, wieder in die Energieerzeugung einzusteigen, sagt der Fraktionschef. Seine Partei will aber wissen, wie die Wirtschaftlichkeitsrechnung konkret aussieht. Sind die Mehrkosten in Höhe von 20 Prozent für die mögliche Aufrüstung mit der CO2-Ausscheidungstechnik berücksichtigt?
Radtke interessiert auch, ob die steigenden Kosten für Steinkohle und die CO2-Emmissionen mit einkalkuliert worden sind. Er verweist auf mehrere Stadtwerke bundesweit – unter anderem in Bremen – die aus wirtschaftlichen Gründen ihre Kohlekraftwerksplanungen beendet beziehungsweise verschoben hätten.
"Die Anlagen lohnen sich einfach nicht mehr“, unterstreicht Radtke und fordert in einem Antrag für die kommende Ratssitzung "..alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien zu erzeugen. Investitionen sind vorrangig vor Ort zu tätigen, damit Arbeitsplätze und Gewerbesteuer hier bleiben...“ Seine Fraktion ist der Meinung, dass es "unverantwortlich“ ist, angesichts des Klimawandels weiterhin in die Verbrennung von Kohle zu investieren. Bei einer Laufzeit des Kraftwerks von 40 bis 50 Jahren seien die von der Bundesregierung geplanten CO2-Reduzierungen "illusorisch“.
Das Argument der Stadtwerke, wonach es eine Versorgungsunsicherheit geben könnte oder gar eine Lücke, hält Radtke für falsch. "Die Deutsche Energie Agentur und die Bundesregierungen haben bestätigt, dass es keine Lücke gibt und geben wird.“
Thomas Lauber, Fraktionsmitglied der Grünen, fordert ein Signal: "Auf unterster kommunaler Ebene muss was passieren.“ Seine Partei hat die Vorstellung, die Rotenburger Stadtwerke anders auszurichten als es jetzt passieren soll - zu einem Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien.
Das Thema kommt in der Ratssitzung am Donnerstag, 3. Juli, zur Sprache.