Alles auf Null: Stromautobahn „Südlink“ viel später und teurer
Brunsbüttel/Wilster
Die geplante Nord-Süd-Stromtrasse „Südlink“ von Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg
wird viel später fertig als bisher geplant und zudem viel teurer. „Es
wird eine Verzögerung von etwa zwei Jahren geben – auch wenn wir noch
auf weniger hoffen“, sagte gestern Ulrike Hörchens, Sprecherin des
zuständigen Netzbetreibers Tennet, unserer Zeitung. Die aus zwei
Strängen bestehende „Stromautobahn“ mit Startpunkten an der Unterelbe in
Brunsbüttel und Wilster würde dann erst 2024 statt 2022 in Betrieb
gehen. Grund für den Verzug ist der Anfang des Monats gefasste Beschluss
der großen Koalition, beim Bau der Leitung vorrangig auf Erdkabel statt
auf Freileitungen zu setzen. „Wir fangen mit der Planung jetzt wieder
bei Null an“, sagte Hörchens.
Zweieinhalb Jahre Vorbereitungen, Erörterungen und Bürgerbeteiligung
sind damit für die Katz – denn für die Planung von Erdkabeln sind ganz
andere Kriterien wichtig als für die von Freileitungen. Während
Überlandtrassen über möglichst weite Strecken parallel zu bereits
bestehenden Leitungen, Autobahnen oder Bahngleisen gebaut werden sollen,
ist das bei Erdkabeln nicht nötig. Sie können daher laut Hörchens viel
gerader und direkter verlegt werden und müssen nur Wasserschutzgebiete
umgehen. Allerdings ist der Bau auch viel teurer: „Die Kosten betragen
das Drei- bis Achtfache“, sagt Hörchens – je nach Landschaft und
Bodenbeschaffenheit. Statt der bisher veranschlagten zwei bis drei
Milliarden Euro könnte der „Südlink“ daher zehn bis fünfzehn Milliarden
kosten. Dafür aufkommen muss letztlich der Stromkunde.
Auch für die Windbauern in Schleswig-Holstein
und die Betreiber der Hochseewindparks vor der Westküste ist der Verzug
eine schlechte Nachricht. Denn über die „Südlink“-Trasse soll künftig
die rasch wachsende Menge Windstrom aus dem nördlichsten Bundesland in
die industriellen Zentren in Süddeutschland transportiert werden.
Solange aber die Leitung nicht fertig ist, drohen verstärkt
Abschaltungen von Windrädern – weil die immer höhere Stromproduktion das
Netz sonst zusammenbrechen ließe.
Tennet
-Sprecherin Hörchens forderte daher die
große Koalition und die Bundesnetzagentur zu raschem Handeln auf. So
müsse der Bund die auf Druck von Bayerns Ministerpräsident Horst
Seehofer angestrebte Gesetzesänderung zum Vorrang von Erdkabeln
spätestens im Herbst zu beschließen: „Wir brauchen jetzt schnell
Planungssicherheit.“ Vor allem sei es wichtig, bald zu klären, in
welchem Ausmaß tatsächlich die teuren Erdkabel verlegt werden sollen.
Henning Baethge