23.10.2008
Viel Kohle auf dem Spiel
Investor für ein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel ausgestiegen
Von Dieter Hanisch, Brunsbüttel
Nachdem der Hauptgesellschafter ausgestiegen ist, steht eines von drei Kohlekraftwerken in Brunsbüttel auf der Kippe. Der Konzern Südweststrom versucht, das Projekt zu retten und die Gemüter zu beruhigen.
Gleich drei Kohlekraftwerke sollen dem schleswig-holsteinischen Ort Brunsbüttel zugemutet werden. Die Gegner der Pläne haben jetzt wieder Oberwasser bekommen: Es wurde bekannt, dass bei einem der drei Projekte, dem der Südweststrom Kraftwerksgesellschaft, der bisherige Hauptanteilsinhaber des Konsortiums, das spanische Energieunternehmen Iberdrola, abgesprungen ist. Der drittgrößte Stromanbieter Europas sollte immerhin mit 51 Prozent an dem Bauvorhaben mit zwei Kraftwerksblöcken über insgesamt 1800 Megawatt beteiligt werden.
Diese Nachricht beunruhigt jetzt kleinere Stromversorger, die sich ebenfalls an den Südweststrom-Plänen beteiligen wollten. So wird das Thema u. a. im schleswig-holsteinischen Wedel und in Rotenburg (Niedersachsen) die Kommunalpolitik beschäftigen. Noch im April hat Südweststrom bei einer Sitzung des Rotenburger Stadtwerke-Aufsichtsrates Iberdrola als Hauptgesellschafter aufgeführt. Dort hatte man auch die in die weltweiten Finanzwirrungen verstrickte Royal Bank of Scotland als Geldgeber für das 3,3 Milliarden Euro teure Projekt genannt, was für weitere Unruhe sorgt. Ursprüngliche Kleinstbeteiligungen der Stadtwerke von Konstanz, Ravensburg, Hammelburg, Wasserburg und Walldorf sind neben dem Iberdrola-Rückzug ebenfalls vom Tisch, teilt die Bürgerinitiative »Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe« mit.
Südweststrom bemüht sich unterdessen, die schlechten Nachrichten mit der guten Botschaft zu verkaufen, dass Ende November ein neuer großer Gesellschafter aus Europa präsentiert werden soll. Geschäftsführerin Bettina Morlok ließ wissen, es sei kein Problem, nach dem Iberdrola-Ausscheiden die frei gewordene Kapazität von 1400 MW zu verkaufen. Die Baugenehmigung hält der Konzern bereits in der Hand. Sie wurde noch vor der Kommunalwahl mit der Stadt ausgehandelt. Neben der CDU ist in Brunsbüttel auch die SPD ein Kohlekraft-Fürsprecher. Die Jusos im zu Brunsbüttel gehörenden Kreis Dithmarschen haben sich jüngst gegen die Kohle ausgesprochen. Der schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Jörn Thießen ist ebenfalls dagegen. Südweststrom hat erst jetzt bei der staatlichen Umweltbehörde die wasser- und immissionsrechtliche Genehmigung beantragt. In absehbarer Zeit stehen die Auslegung der Antragsunterlagen, die Einwendungsfrist sowie eine öffentliche Anhörung an. Südweststrom kommuniziert überall, dass man 2009 mit dem Baubeginn rechnet.
Am 28. Oktober ist im Brunsbütteler Bauausschuss aufgrund der politischen Mehrheit mit grünem Licht für die Pläne des belgischen Konzerns Electrabel zu rechnen, im Industriegebiet ein 800-MW-Kohlekraftwerk zu bauen. Und die in Hannover ansässige Getec Energie AG will ebenfalls am Stadtrand ein 800-MW-Kohlekraftwerk erstellen. Eine Milliarde Euro lässt sich Getec das Projekt kosten. Auch in diesem Fall sollen 2009 die Bagger anrollen. Ob Umweltschützer mit Klagen aufschiebende Wirkungen oder gegebenenfalls einen Baustopp erzielen, ist nicht sicher.
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