CO2-Streit: Etappensieg für Endlager-Gegner im Norden
CDU/CSU-Bundestagsfraktion stoppt das Gesetzesvorhaben / Ministerpräsident Carstensen fordert grundlegende Überarbeitung
Kiel/Berlin/höv
– Die Gegner eines unterirdischen Lagers für verflüssigtes
Kohlendioxid in Nordfriesland haben einen Etappensieg erzielt. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion stoppte das
Gesetzesvorhaben gestern vorläufig. Zunächst war ein Beschluss des
Bundesrates für diesen Freitag vorgesehen.
Die Vorlage werde von der Tagesordnung der Länderkammer genommen, „um noch einmal neu zu beraten“, teilte der nordfriesische CDU-Bundestagsabgeordnete
Ingbert Liebing mit. „Man kann eine neue Technologie in Deutschland
nicht gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung einführen“, sagte
er. Ähnlich hatte sich zuvor auch CDU-Ministerpräsident
Peter Harry Carstensen geäußert, damit seine zunächst in Aussicht
gestellte Zustimmung zu den Plänen allerdings revidiert. Ziel bleibe
es, den Gesetzesentwurf für diese Legislaturperiode völlig aus dem
Verkehr zu ziehen, sagte Liebing.
Der CDU-Politiker forderte den
Energiekonzern RWE Dea zugleich auf, Anträge zu seismischen
Untersuchungen zurückzuziehen. Diese sollen klären, ob der Untergrund
für die CO2-Endlagerung geeignet ist.
Die RWE-Pläne sorgen seit Wochen für massiven Widerstand in Nordfriesland und in Teilen des Kreises Schleswig-Flensburg.
Der SSW spricht von einer „Volksbewegung“. „Die Leute sind auf den
Barrikaden; sie fühlen sich bedroht, sie haben Angst“, sagte der
Abgeordnete Lars Harms in Kiel. Heute soll am Landeshaus in Kiel gegen
die Pläne demonstriert werden, klimaschädliches Kohlendioxid 1000 Meter
tief unter Nordfriesland zu entsorgen.
Carstensen erklärte, das CCS-Gesetz (CCS =
Carbon Capture and Storage) müsse grundlegend überarbeitet werden.
Nötig seien weitere sicherheitstechnische Anforderungen. Landesbehörden
müssten in den Planfeststellungsverfahren zudem „die höchsten
Sicherheitsanforderungen“ durchsetzen können. Nach den RWE-Plänen sollen mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 unterirdisch eingelagert werden. Derzeit wird die CCS-Technologie lediglich in einer kleinen Pilotanlage im brandenburgischen Ketzin erprobt.
Liebing warnte nach dem vorläufigen Stopp der Gesetzespläne
allerdings vor möglichen Alternativen. So werde derzeit ein Gesetz
diskutiert, das auf drei geplante und von der EU geförderte
Demonstrationsvorhaben zugeschnitten sei. Hier dürfe kein
„Maßnahmengesetz für das Kraftwerk in Hürth bei Köln mit Speicherung in
Nordfriesland“ beschlossen werden.
Widerstand gegen die CO2-Endlagerungs-Pläne
kündigte unterdessen auch die Kirche an. Der Vorstand der
Kirchengemeinde Leck (Kreis Nordfriesland) beschloss, Firmen den Zugang
zu ihren Ländereien zu verwehren, die dort seismische Messungen oder
Testbohrungen starten wollen. Ähnlich wollen auch in den
Kreisbauernverbänden Südtondern, Husum-Eiderstedt und Flensburg organisierte Landwirte verfahren.