http://ostholstein.mediaquell.com/2010/03/23/energiekonzept-fuer-schleswig-holstein-839/
“Die Energieversorgung der Haushalte und Unternehmen in
Schleswig-Holstein soll in Zukunft gleichermaßen zuverlässig,
klimafreundlich und bezahlbar sein“. Auf diese drei Eckpfeiler stützt
sich das heute (23. März) von der Kieler Landesregierung verabschiedete
Konzept “Energiepolitik für Schleswig-Holstein”. Wie Wirtschaftsminister
Jost de Jager nach der Kabinettssitzung sagte, sei damit der
energiepolitische Kurs des Landes für die kommenden zehn Jahre
abgesteckt.
Hintergrund ist das von der EU fixierte mittelfristige Klima-Ziel,
die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Die
Bundesregierung will die Treibhausgase mittelfristig sogar um 40 Prozent
drosseln. “Heute sind Kernkraft, Öl und Kohle noch unsere größten
Energiefelder. Die Politik der Landesregierung ist aber eindeutig darauf
ausgerichtet, bis 2020 entsprechend 100 Prozent des
schleswig-holsteinischen Stromverbrauchs zu erreichen. Wenn der
Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein allerdings weiterhin seine
Aufgabe als Energie-Exportland wahrnehmen will, dann werden wir zugleich
aber auch in moderne konventionelle Kraftwerke investieren müssen”,
sagte de Jager. Herausforderung für die kommenden Jahre sei vor allem,
das Haus auch in der Umbauphase bewohnbar und wirtschaftlich zu halten.
“Denn bezahlbare Energiepreise sind neben innovativen Köpfen unser
wichtigster Standortfaktor”, so de Jager. Neben dem Ausbau der
Erneuerbaren Energien stehen sechs weitere Ziele im Mittelpunkt der
Energie-Strategie:· Energie-Einsparungen und Effizienzsteigerungen
· Förderung eines ausgewogenen und preisdämpfenden Energiemix
· Rascher Ausbau leistungsstarker Netze
· Förderung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten
· Sicherung der Energieversorgung durch zuverlässige Energieaufsicht
· Entwicklung innovativer Technologien im Energiesektor
Nach den Worten von de Jager sei im Bereich der Erneuerbaren Energien
vor allem der Ausbau der Windenergie ein politischer Schwerpunkt der
kommenden Jahre. Schleswig-Holstein werde seine Position als
Stromexportland – zwei Drittel des hier erzeugten Stroms werden
exportiert – ebenso ausbauen wie seine Rolle als wichtigstes
Windenergie-Land in Deutschland. “Im Jahr 2020 werden wir deutlich mehr
Strom aus Wind erzeugen, als wir selbst verbrauchen.” Das so genannte
Repowering – also der Austausch der derzeit rund 2600 Windräder durch
weniger, aber dafür stärkere Anlagen – werde bis dahin weit
vorangeschritten sein, ebenso wie die Windernte durch Offshore-Anlagen
in Nord- und Ostsee. Auch der großen Vision von einem europäischen
Supergrit – einem rund 6000 Kilometer langen Stromkabel in der Nordsee –
werde man ein großes Stück näher kommen und Schleswig-Holstein von
diesem Großprojekt profitieren. Die im Koalitionsvertrag beschlossene
Ausdehnung der Wind-Eignungsflächen an Land von derzeit einem Prozent
begrüßt der Minister. So würde sich laut de Jager die Landwindkapazität
nach einmaligem Repowering beispielsweise bei einer Belegung von etwa
1,3 Prozent von derzeit 2.700 Megawatt im Jahre 2020 auf rund 6.500
Megawatt erhöhen. “Mit diesem Sprung dürfte auch ein erheblicher Anstieg
der Zahl der Arbeitsplätze in dieser Zukunftsbranche verbunden sein.
Zielmarke ist eine Arbeitsplatz-Zahl von über 10.000″, so der Minister.
Mit Blick auf die Potenziale von Biomasse stellte der Minister klar,
dass für die Lndesregierung die Erzeugung von Nahrungsmitteln Vorrang
vor der Energiepflanzen- Produktion habe. Für den Anbau von
Energiepflanzen sollen künftig die gleichen rechtlichen Vorgaben gelten
wie für die Erzeugung von Nahrungs- und Futterpflanzen. Die energetische
Nutzung von Reststoffen wie Gülle, Grasschnitt oder Knickholz habe
eindeutigen Vorrang vor der Nutzung von Energiepflanzen. Bei der
energetischen Biomassenutzung setzt das Land vorrangig auf die Technik
der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und will bis zum Jahr 2020 den KWK-Anteil
am Stromverbrauch in Schleswig-Holstein auf 25 Prozent anheben.
Zur Erprobung der KWK und zur Entwicklung kommunaler Energiekonzepte
wird das Land eine Modellregion auswählen und fördern. Wie de Jager
weiter sagte, räumt die Landesregierung der Solarthermie zur Erwärmung
von Brauchwasser, zur Heizungs-Unterstützung und zur Erzeugung so
genannter Prozesswärme im gewerblichen Sektor klare Priorität vor der
Photovoltaik ein. In diesem Zusammenhang begrüßte er die Initiative der
Bundesregierung für eine einmalige Absenkung der
Photovoltaik-Vergütungssätze: “Die bisherige Vergütungspolitik lenkt
die Investitionen in die Photovoltaik, obwohl das Geld im Bereich Windkraft oder Biomasse zu
erheblich besseren Klimaschutz-Effekten führen würde.” Die Windernte sei
im Vergleich zur Sonnenernte im Norden dreimal so hoch, trotzdem werde
die Photovoltaik viermal so hoch vergütet. “Das ist eine nahezu
zwölffache Übervorteilung der Photovoltaik – darum werden wir die großen
Freiflächenanlagen begrenzen”, so der Minister.
Klaren Vorrang vor der Photovoltaik räumt die Landesregierung in
ihrem Energiekonzept auch der oberflächennahen Erschließung der
Geothermie ein. “Wir wollen sowohl eine stärkere gewerbliche Nutzung der
Erdwärme durch unsere Unternehmen als auch durch unsere Hausbesitzer
erreichen”, sagte de Jager. Die zur Sicherstellung der so genannten
Grundlast geeignete Tiefengeothermie werde dagegen auf geologisch
geeignete Vorranggebiete beschränkt. Trotz des massiven Ausbaus der
Erneuerbaren Energien stellte de Jager klar, dass ein vollständiger
Ersatz für konventionelle Energieträger bis 2020 keinesfalls erreicht
werden könne. Bei der anstehenden Erneuerung des deutschen
Kraftwerksparks sei deshalb auch der Bau von Kohlekraftwerken zur
Sicherung der Grundlast vorerst unverzichtbar – und biete dem
Energiestandort Brunsbüttel die Chance auf eine Milliarden-Investition
mit mehreren hundert Dauer-Arbeitsplätzen. Der Minister machte in diesem
Zusammenhang erneut deutlich, dass die Landesregierung eine
CO2-Einlagerung in Schleswig- Holstein ablehne und im Bundesrat dafür
votieren werde, dass die Länder selbst über die unterirdische
Speicherung von CO2 auf ihrem Gebiet entscheiden können.
Auch die Kernenergie ist als Brückentechnologie aus Sicht der
Landesregierung vorerst unverzichtbar und stelle mit einer
Jahresproduktion seiner drei Kraftwerke in Krümmel, Brokdorf und
Brunsbüttel in Höhe von insgesamt 25 Terrawattstunden einen erheblichen
rtschaftsfaktor dar. “Gemeinsam mit der Ölförderung in
Schleswig-Holstein erwirtschaftet dieser Zweig weit über zwei Milliarden
Euro im Jahr, was einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von fast 3,5
Prozent entspricht”, so de Jager.
In ihrem Energiekonzept spricht sich die Landesregierung dafür aus,
Reststrommengen von älteren auf jüngere Kernkraftwerke zu übertragen. De
Jager: “Das bedeutet, dass es für die neueren Kraftwerke eine
Restlaufzeitverlängerung über das derzeit im Atomgesetz fixierte Maß
hinaus geben kann.” Dies werde jedoch an eine Vereinbarung mit der
Stromwirtschaft gekoppelt, eine Abschöpfung der zu erwartenden
zusätzlichen Stromerlöse auszuhandeln. Dabei sollten die Länder mit
Kraftwerks-Standorten von den abgeschöpften Mitteln vorrangig
partizipieren. “Wir in Schleswig-Holstein werden diese Mittel in den
schnellen Umbau unserer Energie-Landschaft investieren, damit die
Erneuerbaren Energien wie Wind und Biomasse schnell Raum greifen, aber
wir werden dieses Geld auch
in intelligente Speicher-, Transport- und Leitungstechnologien stecken”,
sagte de Jager. Er erinnerte in diesem Zusammenhang allerdings auch
daran, dass Schleswig-Holstein hinsichtlich des Atomgesetzes keinerlei
Regelungskompetenz besitze.