Am Ende zählt nur der Erfolg
In geheimer Mission beginnt das russisch-westeuropäische Nord-Stream-Konsortium mit dem Bau der umstrittenen Ostsee-Pipeline
Ulrich Krökel
Still und heimlich hat das Verlegeschiff „Castoro 6“ mit dem Bau der
Ostsee-Pipeline begonnen. Unangekündigt. Der
Betreiber Nord Stream verhält sich wie ein Einbrecher, der Angst hat,
auf frischer Tat ertappt zu werden. Freilich ist kaum zu vermuten, dass
das russisch-westeuropäische Konsortium von
Gewissensqualen heimgesucht wird. Eher schon treibt die Bauherren die
Furcht vor Protesten militanter Umweltschützer um. Bezeichnend aber ist
die Nacht-und-Nebel-Aktion in jedem Fall: Die Pipeline auf dem
Meeresgrund ist und bleibt eines der umstrittensten energiepolitischen
Projekte der Gegenwart. Und klar ist auch: Die Frage nach Fluch oder
Segen der Röhre wird erst die Zeit beantworten können.
Dabei steht die Umweltproblematik keineswegs im Zentrum. Der Bau der
Gasleitung wird das Ökosystem Ostsee stören. Liegt die Pipeline aber
erst einmal auf dem Meeresgrund, wird sie die Umwelt nicht nachhaltig
beeinträchtigen. Wichtiger sind die politischen „Kollateralschäden“ des
Nord-Stream-Projekts.
Polen und die baltischen Staaten fühlten sich von Anfang an ausgebootet.
Und machen wir uns nichts vor: Die Pipeline ist tatsächlich zuallererst
ein deutsch-russischer Deal, bei dem sich die
Beteiligten wenig um die Interessen Dritter scheren.
Nun muss man sich in Berlin nicht zwingend darum sorgen, dass den
östlichen Nachbarn Gebühren für den Überlandtransit russischen Erdgases
verloren gehen. Dennoch haben Deutschland und die anderen beteiligten
Westeuropäer mit der Pipeline ein Signal der (energiepolitischen)
Spaltung an die jungen EU-Mitglieder im Osten
gesandt. Die Botschaft, für die der Röhren-Verlauf
an den baltischen Staaten und Polen vorbei ein sichtbares Zeichen ist,
lautet: Im Zweifel strecken wir lieber die Hand nach dem Gazprom-Spatzen aus, als die gesamteuropäische Taube auf dem
Dach zu bestaunen. Wen sollte es da wundern, dass die umgangenen
Osteuropäer verstärkt auf den Klimakiller Kohle und neue Atomkraftwerke
als Energielieferanten setzen?
Indes: Letztlich entscheiden die ökonomischen Kennziffern über Erfolg
oder Misserfolg der Ostsee-Pipeline. Die
Fachleute sind sich uneinig, ob der Erdgasverbrauch in der EU
tatsächlich so stark steigen wird, dass sich das Nord-Stream-Projekt rentiert. Im Zweifelsfall – auch das hat das
Betreiber-Konsortium bereits durchblicken
lassen – werden die Netzentgelte steigen. Am Ende würde der Verbraucher
die Zeche zahlen. Das muss nicht so kommen. Doch fest steht: Wer
heimlich Stahlbetonröhren im Meer versenkt, schafft wenig Vertrauen in
sein Tun.