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"Zuviel Quecksilber", Tageszeitung junge Welt - 24.06.2010

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Arne

Beiträge: 539

BI Teilnehmernummer: 98

New PostErstellt: 24.06.10, 20:11  Betreff: "Zuviel Quecksilber", Tageszeitung junge Welt - 24.06.2010  drucken  weiterempfehlen

Tageszeitung junge Welt

24.06.2010

Zuviel Quecksilber

Eigentlich nicht genehmigungsfähig: Warum geplante Kohlekraftwerke vielleicht schon 2028 stillgelegt werden müssen

Von Wolfgang Pomrehn

Steinkohlekraftwerke sind dort, wo sie gebaut werden sollen, nicht sehr beliebt. Allerorten haben sich Bürgerinitiativen gegen geplante Projekte gebildet. Besonders betroffen ist das schleswig-holsteinische Städtchen Brunsbüttel am Unterlauf der Elbe, wo der Nord-Ostsee-Kanal in diese mündet. Gleich vier große Kraftwerksblöcke mit zusammen fast 3500 Megawatt (MW) elektrischer Leistung wollen verschiedene Unternehmen hier bauen.

Brunsbüttel ist ein wichtiger Industriestandort in einer ansonsten durch Landwirtschaft und Tourismus geprägten Region. Diverse Chemiebetriebe haben sich angesiedelt, die trotz ihrer energieintensiven Produktion bei weitem nicht soviel Energie benötigen, daß sie den Bau derartiger Kapazitäten rechtfertigen würden. Allerdings wird im liberalisierten Strommarkt sowieso nicht mehr regional gedacht. Bauherren in spe sind unter anderem die französische Gaz de France (GDF Suez), einige Schweizer Unternehmen und mit SWS ein Konsortium vornehmlich süddeutscher Stadtwerke. Der Strom soll bundesweit und darüber hinaus vermarktet werden.

Ganz einfach haben die Planer es nicht. In der Bevölkerung rumort es erheblich, in den schon angelaufenen Genehmigungsverfahren hagelte es Hunderte von Einsprüchen. Auch in manchen an SWS beteiligten Städten gibt es Widerstände. SWS will mit zwei Blöcken von insgesamt 1800 MW richtig klotzen, hat aber das Problem, daß ihm die Gesellschafter davonlaufen. Im Februar war das Schweizer Energieunternehmen Elektra Birseck Münchenstein ausgestiegen, im April folgten zwei weitere Unternehmen aus dem Nachbarland. Für rund 100 MW fehlt SWS damit die Finanzierung.

Natürlich macht der weite Transport von Strom angesichts der unvermeidbaren Leitungsverluste nur bedingt Sinn, aber das scheint keine Rolle zu spielen, solange die Rechnung betriebswirtschaftlich stimmt. Offen ist allerdings, ob die Netze für eine derartige Ballung von Erzeugungskapazitäten ausreichen werden. Zu den Kohlekraftwerken kommt nämlich noch ein wegen seiner Störanfälligkeit berüchtigtes AKW hinzu, das zwar längs stillgelegt sein müßte, aber von der schwarz-gelben Koalition demnächst wie alle anderen Altmeiler Absolution erhalten soll.

Schließlich wird Brunsbüttel auch zum Netzanbindungspunkt für den größten Teil der vor der schleswig-holsteinischen Küste geplanten Windparks werden. Die Uni Flensburg hat den potentiellen Kraftwerksbetreibern vorgerechnet, daß sie deshalb ihre Anlagen voraussichtlich nicht wirtschaftlich betreiben werden können. Wegen Netzüberlastung und Vorrang der Windenergie werden die Kraftwerke zu oft stillstehen müssen.

Ungemach droht aber auch von ganz andere Seite. Eine kürzlich von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Berlin vorgestellte Studie geht davon aus, daß die neuen Kohlekraftwerke mit EU-Recht kollidieren werden. Der Grund: Sie werden wie alle vergleichbaren Anlagen in nicht unerheblichem Maße Quecksilber emittieren. Dieses Nervengift, das sich in der Nahrungskette anreichert, findet sich in geringen Konzentrationen in der Kohle. Durch die Verbrennung wird es in der Umwelt verteilt, hauptsächlich durch die Abgase, zum Teil aber auch durch das Abwasser.

In Deutschland gilt für die Abluft von Kraftwerken ein Grenzwert, der sich auf den Kubikmeter Abgas bezieht. Je länger ein Kraftwerk läuft, desto mehr darf es auch emittieren. Bei einem 1800-MW-Kraftwerk und 7500 Betriebsstunden im Jahr – was fast einem Dauerbetrieb entspricht – kann da schon fast eine Tonne zusammenkommen, die in der weiteren Nachbarschaft des Kraftwerks pro Jahr niedergehen würde.

Das hat die DUH veranlaßt, Umweltrechtler prüfen zu lassen, ob sich das mit EU-Recht verträgt. Dieses, so die DUH, sieht mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie vor, »daß der Eintrag prioritärer gefährlicher Stoffe, zu denen Quecksilber wegen seiner hohen Giftigkeit und Fähigkeit zur Anreicherung zählt, bis 2028 vollständig und ausnahmslos zu beenden ist«. Die Kohlekraftwerke seien also eigentlich nicht genehmigungsfähig.

Vor dem Hintergrund, daß die heute gebauten Kraftwerke weit über die für 2028 gesetzte Frist hinaus laufen werden, meint DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake: »Die Energieversorger sollten zwingende europarechtliche Regelungen endlich zur Kenntnis nehmen. Neue Kohlekraftwerke sind nicht nur umwelt-, klima- und energiepolitisch Technologien von vorgestern. Die Verantwortlichen müssen sich im klaren darüber sein, daß sie mit ihren Investitionen in Quecksilber emittierende Anlagen ein hohes rechtliches und damit auch ökonomisches Risiko eingehen.«

Die DUH gehe davon aus, daß die Genehmigungsbehörden die bindenden europarechtlichen Vorgaben beachten werden. Um dem nachzuhelfen, hat sie Anfang Mai gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig einen Klageantrag gegen den Bebauungsplan für das in Brunsbüttel vorgesehene GDF-Suez-Steinkohlekraftwerk eingereicht.





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