Atomwirtschaft soll die Windkraft beflügeln
Carstensen: Gewinne aus der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke in den Netzausbau stecken
Kiel/Berlin
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter
Harry Carstensen (CDU) macht seine Zustimmung zu längeren Laufzeiten für
Atommeiler von einem Ausbau der Stromnetze durch die Energiekonzerne
abhängig. „Ich kann nicht für eine Laufzeitverlängerung von
Kernkraftwerken argumentieren, wenn ich gleichzeitig aufgrund mangelnder
Netzkapazitäten bei guten Windverhältnissen Windkraftanlagen abschalte
und den Windbauern Geld für nicht produzierten Strom gebe“, kritisierte
Carstensen gestern die Stromkonzerne. Er sei zwar für eine
Laufzeitverlängerung – „aber dann müssen die Energieversorger auch ihre
Pflicht tun und die Netzkapazitäten so ausbauen, dass wir die Kernkraft
wirklich nur noch für eine Übergangszeit brauchen“. Wie lange in diesem
Fall die Fristen für die Reaktoren aufgeschoben werden sollten, sagte
Carstensen nicht: „Ob fünf Jahre oder 15 Jahre – das ist keine
politische, sondern eine sachliche Frage, die entschieden wird, wenn wir
wissen, für wie lange wir die Kernkraft noch als Brückentechnologie
brauchen.“ Für die drei schleswig-holsteinischen
Reaktoren schlug er eine Übertragung von Restlaufzeiten der beiden
alten auf den neuesten Meiler vor, wie sie im Koalitionsvertrag
vorgesehen ist. „Wenn Restlaufzeiten von Krümmel oder Brunsbüttel auf
Brokdorf übertragen würden, könnte Brokdorf länger laufen.“
Der Ministerpräsident forderte außerdem erneut eine Beteiligung der
Standortländer an der geplanten Abschöpfung von Zusatzgewinnen der
Kernkraftwerksbetreiber. „Ich habe heute im CDU-Bundesvorstand
deutlich gemacht, dass es eine Aufteilung zwischen Bund und Ländern
geben muss“, sagte Carstensen unserer Zeitung. Regierungssprecher
Steffen Seibert erklärte dagegen, die bisher vorgesehene Abschöpfung von
2,3 Milliarden Euro jährlich würde „voll umfänglich in den
Bundeshaushalt gehen“. Auf die Frage, ob die Länder in irgendeiner
anderen Form beteiligt würden, antwortete er nur: „Das Gespräch mit den
Standortländern läuft permanent.“
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kündigte
an, dass die Atomindustrie neben den 2,3 Milliarden Euro noch einen
zusätzlichen „starken Beitrag“ für regenerative Energie zahlen müsse.
„Es wird einen solchen Beitrag – ja, auch über die Brennelementesteuer
hinaus – geben“, sagte er. Davon jedoch wollte die Schwesterpartei
nichts wissen: „Die CSU steht auf dem Standpunkt, dass durch die
Brennelementesteuer die Energiewirtschaft einen ausreichenden Beitrag
leistet“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe
im Bundestag, Stefan Müller. Die FDP hat sich noch nicht auf die Steuer
festgelegt. „Wenn es bessere Vorschläge gibt, werden die
selbstverständlich in vollem Umfange geprüft“, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle.
Henning Baethge