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Erstellt: 13.09.10, 00:20 Betreff: Knapp an Kohle |
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Knapp an Kohle
US-Wissenschaftler warnen davor, daß die Förderung schon bald nicht mehr gesteigert werden kann. Eine drastische Verteuerung wäre die Folge Von Wolfgang Pomrehn
Daß das Öl nicht ewig reichen wird, hat sich langsam herumgesprochen. Der selbst in Krisenzeiten kaum rückläufige Preis für den Lebenssaft der Weltwirtschaft kündet davon, daß die Zeiten beginnender Knappheit bereits ziemlich nah sind.
Aber wie sieht es eigentlich mit der Kohle aus, von der wir nicht minder abhängig sind? Immerhin ein rundes Drittel des weltweiten Energieverbrauchs wird von ihr gedeckt. Zwei Drittel aller Stahlwerke werden mit ihr befeuert und rund 40 Prozent allen elektrischen Stroms kommt aus Kohlekraftwerken. Für gewöhnlich heißt es, daß die Vorräte noch für weit über 100 Jahre reichen. Das World Coal Institute in London, eine Interessenvertretung der in diesem Bereich tätigen Bergbauunternehmen, geht zum Beispiel davon aus, daß der Kohleverbrauch in den nächsten 20 Jahren um 60 Prozent zunehmen wird. Ähnliche Prognosen gibt es auch von der US-Behörde für Energieinformationen.
Letzter Krümel rausgekratzt Gerne wird dabei auf die wachsende Zahl von Kohlekraftwerken verwiesen, die in Indien und China das Wirtschaftswachstum befeuern. Dabei wird jedoch geflissentlich übersehen, daß China, eines der Länder mit den weltweit größten Kohlevorkommen, inzwischen zum Nettoimporteur geworden ist. Dort wird, wenn das Wachstum des Verbrauchs weiter wie in den letzten Jahren zunimmt, der letzte Krümel Kohle bereits vor Mitte des Jahrhunderts aus der Erde gekratzt sein. Und außerdem basieren Prognosen, wie die oben zitierten, auf den Angaben staatlicher Stellen, die meist nicht nachprüfbar und oft bereits 30 Jahre oder älter sind. Eine wissenschaftliche Abschätzung kann man das nicht nennen.
Es gibt daher einige Stimmen, die weit weniger optimistisch sind, wie etwa die deutsche Energy Watch Group, die vor drei Jahren in einem Bericht davon ausging, daß das Fördermaximum der Kohle bereits 2025 bis 2030 erreicht sein könnte. Ähnlich wie auch in der Diskussion um die Ölreserven schauten die Wissenschaftler um Werner Zittel von der Ludwig Bölkow Systemtechnik GmbH nicht so sehr nach der Reichweite, sondern danach, wann die Förderung ihren Höhepunkt erreicht haben wird. Danach würde nämlich eine weiter wachsende Nachfrage nicht mehr zu befriedigen sein und daher der Preis für den Energielieferanten drastisch ansteigen.
Das könnte allerdings schon früher der Fall sein, als selbst Zittel und Kollegen annehmen. Die Internetseite des renommierten US-Magazins National Geographic berichtet von einer neuen Studie, die sich mit dem Thema beschäftigt. Tad Patzek, Leiter des Instituts für Erdöl und Geo-Ingenieurwissenschaften an der Universität von Texas in Austin, kommt mit seinen Ko-Autoren zu dem Schluß, daß das Fördermaximum, »Peak Coal« sozusagen, schon im nächsten Jahr erreicht sein wird und die Fördermenge dann bis zur Mitte des Jahrhunderts um 50 Prozent abnimmt.
Das wären ausgesprochen gute Nachrichten für das Klima, denn es würde bedeuten, daß die Menschheit mangels Masse gar nicht mehr so viele Treibhausgase in die Luft blasen kann, wie die schlimmsten Szenarien der Klimawissenschaftler annehmen. Allerdings aber auch nur dann nicht, wenn nicht in größeren Mengen sogenannte »unkonventionelle« Energieträger erschlossen werden, wie etwa die Ölsände, die heute schon Kanada großflächig aus der Erde holt, oder Methan, das in Gashydraten am Meeresboden schlummert.
Keine zuverlässige Angabe Schlechte Nachrichten sind das hingegen für die Bundesregierung, die in ihrem Energiekonzept nicht nur die Verlängerung von AKW-Laufzeiten, sondern auch den Neubau einiger Kohlekraftwerke vorsieht. Allerdings basiert die Planung ohnehin auf sehr wackeliger Grundlage, denn ob sich die Technik für die Abscheidung von CO2, wie die Bundesregierung annimmt, tatsächlich schon ab 2025 unter ökonomisch sinnvollen Bedingungen einsetzen läßt, ist fraglich. Eine jüngst veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung meint, daß das eher unwahrscheinlich und die Technik ein Irrweg sei. Eine Feststellung, die die Menschen in Nordfriesland, der Altmark und im südöstlichen Brandenburg, die von den potentiellen CO2-Endlagern betroffen wären und daher auf die Barrikaden gehen, sicherlich unterschreiben würden.
Wie kommen die texanischen Geowissenschaftler zu ihrer Aussage? »Alle Angaben über die Reserven sind unzuverlässig«, meint Patzek gegenüber National Geographic. Das einzige, das zähle, sei die tatsächliche Förderung, und was diese angeht, hat er in vielen wichtigen Abbaugebieten eine Abnahme registriert. Das ist angesichts der steigenden Nachfrage immerhin bemerkenswert. Schon Zittel und Kollegen hatten in ihrer Arbeit darauf hingewiesen, daß in den USA, dem Saudi-Arabien der Kohle, wie US-Präsident Barack Obama kürzlich meinte, trotz allen technischen Know-hows die Produktivität seit einiger Zeit abzunehmen scheint. Soll heißen: Trotz höheren Aufwands und Rationalisierung kommt unterm Strich weniger Energiegehalt heraus, weil die Qualität der Kohle und die Ergiebigkeit der Lagerstätten abnehmen.
Der Wirtschaft könnte also der Brennstoff ausgehen. »Es wird«, so Patzeks Studie, »zu großen Umstrukturierungen in der Weltwirtschaft und zu einem Schrumpfungsprozeß kommen.« Einen Vorteil wird in dieser Situation haben, wer rechtzeitig auf unerschöpfliche Energieträger wie Wind, Wasser und Sonne gesetzt hat. Die deutschen Energiekonzerne und ihre Bundesregierung sind gerade dabei, diesen Weg mit ihren altertümlichen Großkraftwerken abzuschneiden.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/09-13/016.php
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