Ist das Kohlekraftwerk Moorburg eine Fehlinvestition?
Gestiegene Kohlekosten, längere AKW-Laufzeiten - BUND stellt
Rentabilität infrage. Vattenfall betont, der wirtschaftliche Betrieb sei
gewährleistet.
Moorburg.
Das umstrittene Vattenfall-Kohlekraftwerk
an der Elbe kann nach heutigem Erkenntnisstand nicht wirtschaftlich
betrieben werden. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest der Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND). Der hat angesichts der geplanten Laufzeitverlängerung
für Atomkraftwerke - die sich negativ auf die Rentabilität von
Kohlekraftwerken auswirkt - ein 2006 erstelltes Gutachten zur
Wirtschaftlichkeit Moorburgs unter die Lupe genommen. Die dort für das Jahr
2010 prognostizierten Zahlen hat er mit dem aktuellen Sachstand verglichen.
Fazit: Entscheidende Parameter wie die Entwicklung des Steinkohlepreises und
die der Zertifikatpreise für CO2 fallen für Vattenfall viel ungünstiger aus
als 2006 angenommen - dabei muss der schwedische Energiekonzern schon mit
gestiegenen Kosten wegen des verzögerten Baubeginns und wegen des neu
geplanten Hybridturms kämpfen. Doch besonders gefährdet ist das Projekt
durch die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. "Wenn
die Meiler länger laufen, werden Kohlekraftwerke an der Energiebörse weniger
Strom los", sagt BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. "Werden
dann noch die erneuerbaren Energien ausgebaut, kommen die Kohlkraftwerke
kaum noch zum Zug."
Das bestätigt Helmuth Groscourth vom Arrhenius Institut für Energie- und
Klimapolitik. "Durch die Verlängerung
der AKW-Laufzeiten werden Kohlekraftwerke an der Strombörse aus dem
Markt geschoben. Dadurch verringern sich ihre Nutzungszeiten und damit ihre
Stromproduktion." Gleichzeitig sänken an der Börse die
Großhandelspreise. Beide Effekte führten zu geringeren Einnahmen für die
Kraftwerksbetreiber. Mit den gestiegenen Zetrifikatspreisen verschlechtere
sich damit die Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken - gerade erst, so
Groscourth, seien Pläne für neue Steinkohlekraftwerke in Mainz und Lubmin
gestoppt worden.
In dem von Vattenfall angeforderten Gutachten, das dem Abendblatt vorliegt,
ging das beauftragte Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos 2006 von einer
Laufzeit von 32 Betriebsjahren aus. In einem Alternativszenario kamen sie zu
der Annahme, dass eine AKW-Laufzeitverlängerung von acht Jahren "...
in den ersten Jahren ... zu etwas schlechteren Startbedingungen führt".
Nach aktuellem Stand soll sich die Laufzeit aber um durchschnittlich zwölf
Jahre verlängern. "Das führt dann zu noch schlechteren Bedingungen
für das Kraftwerk Moorburg", sagt Manfred Braasch.
Neben den Laufzeitverlängerungen werfen seiner Meinung nach vor allem die "schöngerechneten
Parameter" einen "erschütternden Blick" auf die
Wirtschaftlichkeit des Kraftwerkes. Da sind zunächst einmal die
Projektkosten, die von 1,7 Milliarden Euro um 45 Prozent auf 2,6 Milliarden
Euro geklettert sind. Weitaus höher als erwartet ist auch der
Steinkohlepreis: Sah Prognos ihn bis 2010 "leicht sinken", ist er
tatsächlich von 61,76 Euro auf 86,34 Euro pro Tonne gestiegen. Auch der
Zertifikatspreis, mit dem man das Recht erwirbt, über den zugeteilten Rahmen
hinaus CO2 produzieren zu dürfen, liegt nicht - wie von Prognos für 2010
vorhergesagt - bei 5 Euro pro Tonne, sondern beträgt nach Angaben der
Leipziger Strombörse EEX rund 15 Euro pro Tonne. Beim Blick in die Zukunft
könnte sich Prognos auch grob verschätzt haben: Im Jahr 2030 solle der
Zertifikatspreis bei 15 Euro pro Tonne liegen - sagt Prognos. Schon ab 2012
sehen die Experten von Emissionshaendler.com den Zertifikatspreis aber bei
20 bis 40 Euro pro Tonne. Was natürlich auch nur eine Prognose ist, keine
Tatsache.
Weitaus schlechter als erwartet fällt auch die Nachfrage nach Fernwärme aus.
Sah Prognos dort einen Zuwachs, der 2010 bei 25 000 zusätzlichen
Wohneinheiten liegen sollte, beträgt der tatsächlich nach Vattenfall-Angaben
nur 15 000. Die durch die Fernwärmeauskopplung erwartete Wärmegutschrift von
20 Euro pro Megawattstunde steht sogar gänzlich auf der Kippe - hofft
zumindest der BUND. Er hatte gegen die dafür notwendige Fernwärmetrasse
geklagt, woraufhin das Oberverwaltungsgericht das Projekt vorläufig gestoppt
hat. "Sollte die Trasse und damit auch die Leitung nicht gebaut werden",
sagt Braasch, "würde die fehlende Wärmegutschrift die
Wirtschaftlichkeit von Moorburg nochmals deutlich absenken."
Gegenüber 2006 habe sich vieles anders entwickelt als erwartet, gibt auch
Vattenfall zu. "Doch auch unter diesen Rahmenbedingungen ist ein
wirtschaftlicher Betrieb sichergestellt", sagt Stefan Kleimeier,
Pressesprecher des Energiekonzerns. Auf die Stromkosten hätten sie
jedenfalls keine Auswirkungen.
Den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg, der sich auf
die "geschönten Berechnungen" eines Gutachtens stütze, sieht
Braasch auch unabhängig von der Klimaschutzdebatte als eine eklatante
Fehlentscheidung Vattenfalls an. Seine Kritik richtet sich aber auch gegen
die Handelskammer. "Sie hätte die Autorität gehabt, die
Wirtschaftlichkeit Moorburgs ernsthaft zu prüfen", sagt er. "Doch
vor lauter Standorthysterie hat sie diese Verpflichtung ignoriert."
Ulrich Brehmer, bei der Handelskammer Leiter des Geschäftsbereichs Innovation
und Umwelt, weist die Vorwürfe zurück. "Die wirtschaftliche
Beurteilung einer Investition gehört nicht zu unseren Aufgaben",
sagt Ulrich Brehmer von der Handelskammer Hamburg. "Für uns ist eher
die Auswirkung auf den Wirtschaftsstandort Hamburg wichtig." In der
Hansestadt gebe es die europaweit größte Ansammlung von Grundstoffindustrie
- Kupfer- und Aluhütte, Stahlwerk, Raffinerien und Mineralöl verarbeitende
Unternehmen - die davon profitiere, wenn in ihrer unmittelbaren Nähe ein
Strom erzeugendes Kraftwerk stehe, da die Stromkosten dann weitaus niedriger
wären.
Quelle: http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1629520/Ist-das-Kohlekraftwerk-Moorburg-eine-Fehlinvestition.html