sh:z-online vom 03.11.2010:
Flensburg
Atom-Beschluss stößt Stadtwerken auf
3. November 2010 | 06:56 Uhr | Von Carlo Jolly
Ein
Steinkohlekraftwerk, das nur noch zu gut 80 Prozent eines ist: Der Umbau
hin zum CO2-neutralen Heizkraftwerk ist an der Flensburger
Batteriestraße in vollem Gang.
Betroffen sind vor allem jene, die in den vergangenen Jahren eifrig
am Umbau ihrer Kapazitäten hin zu den erneuerbaren Energien gearbeitet
haben. Dazu zählen eindeutig die Flensburger Stadtwerke. Sie sind längst
dabei, ihr Kohlekraftwerk am Hafen zum CO2 -neutralen
Heizkraftwerk umzubauen. Schon jetzt würden biogene Ersatzbrennstoffe
(Anteil: rund 16 Prozent) und Holzhackschnitzel (zwei Prozent)
eingesetzt. "Die am Netz befindlichen Anlagen im Bereich erneuerbare
Energien erzeugen etwa 100 Gigawattstunden Grünstrom. Die geplanten
Offshore-Anlagen und die Biogas-Anlage in Schuby werden zusammen etwa
weitere 180 Gigawattstunden Öko-Energie erzeugen", haben die Stadtwerke
bereits vor Wochen ausgerechnet, als die AKW-Zeitverlängerung ihren Lauf
nahm.
Nach dem Bundestagsbeschluss vor wenigen Tagen sind sie gemeinsam
mit vielen größeren Stadtwerken in die Offensive gegangen. Die lokalen
und regionalen Versorger beklagen eine dramatische Verzerrung der
Konkurrenzsituation zu Gunsten der vier großen deutschen
Atomkraft-Betreiber und Energieversorger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall.
"Wir machen da mit, weil wir vor einer Verhinderung des freien
Wettbewerbs und der Behinderung unserer Investitionen auf dem Feld der
erneuerbaren Energien warnen wollen", erklärte gestern Flensburgs
Stadtwerke-Sprecher Peer Holdensen.
"Wir sind ebenfalls gegen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten"
Dennoch sehen sich die Flensburger weiter gut positioniert: Für die
Stadtwerke Flensburg habe es es seit einigen Jahren zur Maxime gehört,
vor allem auf erneuerbare oder in Kraftwärmekopplung produzierende
Erzeugungsanlagen zu setzen. Daher erwarte man insgesamt geringere
negative Effekte als für andere Stadtwerke: "Wir können jedoch bereits
absehen, dass wir weitere Engagements unter geänderten Rahmenbedingungen
kritischer prüfen müssen."
Das wird nicht nur in Flensburg gesehen, wo die Stadtwerke bereits
seit einem Jahrzehnt den bundesweiten Markt im Visier haben, sondern zum
Beispiel auch an der Schlei, wie Geschäftsführer Wolfgang Schoofs von
den Schleswiger Stadtwerken gestern bestätigte: "Wir sind ebenfalls
gegen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Das Gesetz, das die
Bundesregierung dazu entwickelt hat, fördert nicht die kommunale
Energiewirtschaft. Es werden die Bemühungen torpediert, lokale
Kraftwerke zu schaffen."
Und die Auswirkungen auf die Strompreise? Prognose aus Flensburg:
Die Marktmacht der großen Vier an den Strombörsen und deren Einfluss
auf die Preise wird eher zunehmen.