Bremst Umwelt-Gutachten das AKW Brunsbüttel aus?
Landes-Grüne sehen Betriebserlaubnis erloschen / Energie-Minister findet Studie „wenig überzeugend“
Kiel/Brunsbüttel
Die Grünen im Landtag erwarten eine juristische Auseinandersetzung um
das Wiederanfahren des Kernkraftwerks Brunsbüttel. Fraktionschef Robert
Habeck geht davon aus, dass die Betriebsgenehmigung für den fast 30
Jahre alten Meiler erloschen ist.
Habeck stützt sich dabei auf ein Gutachten der Berliner
Umweltrechtlerin Cornelia Ziehm. Die Juristin stützt sich auf das
Bundesimmissionsschutzgesetz. Danach erlösche eine Betriebsgenehmigung,
„wenn eine Anlage während eines Zeitraums von mehr als drei Jahren nicht
betrieben worden ist“. Brunsbüttel liefert seit Sommer 2007 keinen
Strom.
Das Atomgesetz verweise auf die Grundsätze des Immissionrechts, sagte Ziehm. Damit gelte die Drei-Jahres-Regel
auch für das Kernkraftwerk Brunsbüttel. Die Rechtsfolge trete
unmittelbar ein. Einer behördlichen Maßnahme bedürfe es nicht.
Der für die Atomaufsicht zuständige Minister Emil Schmalfuß nannte
die in dem Gutachten vertretene These „nach erster summarischer
Einschätzung wenig überzeugend“. So ziele die 1983 erteilte unbefristete
Betriebsgenehmigung auf „den Betrieb der Gesamtanlage Kernkraftwerk
Brunsbüttel einschließlich aller erforderlichen Betriebsvorgänge“. Dies
umfasse „grundsätzlich auch den so genannten Stillstandsbetrieb“, zu dem
Instandsetzungen, Reparaturen, Brennelementwechsel und wiederkehrende
Prüfungen gehörten. Schmalfuß kündigte eine sorgfältige Auswertung des
schriftlichen Gutachtens an.
Ziehm verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
das in anderen Fällen entschieden habe, dass das Immissionsrecht
Anwendung finde. Dazu gehörte auch der Fall einer Schweinemastanlage mit
34 000 Plätzen. „Es wäre mit den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten
nicht vereinbar, wenn für Anlagen einer Hochrisikotechnologie wie einem
Kernkraftwerk weniger strenge Maßstäbe gelten würden als für
immissionsschutzrechtliche Anlagen“, meinte Ziehm.
Die Grünen kommen zu dem Schluss, dass der Betreiber Vattenfall für
den Wiederbetrieb von Brunsbüttel eine neue Genehmigung beantragen
müsste. „Ein Neuantrag ist aber nicht denkbar“, sagte ihr Energieexperte
Detlef Matthiesen mit dem Blick auf das Alter der Anlage, die mit einer
technischen Verfügbarkeit von nur 57,9 Prozent „eine latente Bedrohung
unseres Landes“ sei.
Habeck rechnet damit, dass die Studie bei Vattenfall und dem
Stromkonzern E.On für „extremen Verdruss“ bei den Verhandlungen über
eine Übernahme der Betriebsführerschaft für die Meiler Brunsbüttel und
Krümmel sorgen wird. Eine Wiederanfahrgenehmigung für Brunsbüttel
verbiete sich, solange rechtliche Fragen ungeklärt seien. Schmalfuß
sagte, da das Kernkraftwerk Brunsbüttel aus technischen Gründen auf
absehbare Zeit ohnehin nicht wieder in Betrieb genommen werden könne,
sehe er keinen akuten Entscheidungsbedarf.
Der CDU-Abgeordnete Jens-Christian
Magnussen nannte die Gutachterin der Grünen eine „Lobbyistin der
Deutschen Umwelthilfe“. SSW und Linke pochten auf eine endgültige
Stilllegung des Meilers. Sollte eine erneute Betriebsgenehmigung für
Brunsbüttel nötig sein, dann müsse Schmalfuß die Chance nutzen, „um den
Pannenreaktor endgültig aus dem Verkehr zu ziehen“, so der SSW.
Peter Höver