Heute zum Thema: Wie mit kleinen, dezentralen Kraftwerken die Versorgungssicherheit nach der Energiewende gesichert werden soll
Viel hat nicht gefehlt und halb Kiel hätte sich ganz warm anziehen
müssen. Viereinhalb Monate lag das Gemeinschaftskraftwerk Ost, das die
Stadtwerke Kiel zusammen mit der E.ON AG betreiben, still. Der Grund: ein
kapitaler Turbinenschaden. Das Glück im Unglück: Die Panne ereignete
sich im Sommer und reichte lediglich in einen milden Winter hinein. Also
konnte die ausgefallene Stromproduktion auf dem Markt zugekauft werden,
während für die Fernwärme der kohlebefeuerten Anlage die fünf kleinen
Heizwerke der Stadtwerke an die Grenze der Belastbarkeit hochgefahren
wurden. Damit hing die Fernwärmeversorgung vor allem in den Wohnsilos in
Mettenhof und Suchsdorf am seidenen Faden.
Während der Ausfallzeit des nahezu 40 Jahre alten Energielieferanten
hatten sie sich mit der Kommunikation des Vorfalls dagegen komplett
zurückgehalten. Der mutmaßliche Grund: Seit mehreren Jahren debattiert
das politische Kiel über einen Ersatz der in die Jahre gekommenen
„Dreckschleuder“ auf dem Ostufer. Mitten in die Diskussion hinein
platzte Angela Merkels Energiewende, und unverändert geht es darum, die
unterschiedlichen Interessen zweier 50:50-Gesellschafter unter einen Hut
zu bringen.
Ein hochmodernes Kohlekraftwerk mit geringstmöglichen CO2-Emissionen, das Eon vorgeschlagen hatte, war gegenüber der SPD/Grün/ SSW-Rathaus-„Kooperation“
nicht durchsetzbar. Die angedachte Alternative Gaskraftwerk konnte die
erforderliche Fernwärmeproduktion nicht leisten. Ein diesbezüglich mit
den Stadtwerken Neumünster angestrebtes Lieferabkommen wurde nach
jahrelangen Verhandlungen im Spätherbst sang- und klanglos zu Grabe
getragen.
Wenige Tage vor Weihnachten sind die Stadtwerke in die Offensive
gegangen. „Mit neuer Strategie in die Energiezukunft“, verkünden sie.
Denn: Große Anlagen stießen auf immer mehr Widerstand und seien
politisch nicht mehr durchsetzbar, so das Credo.
Die Konsequenz daraus: Die Kraftwerke werden kleiner, und sie werden
dezentraler – bis dahin, dass auch der Besitzer eines Eigenheims etwa
mittels eines Blockheizkraftwerks (Mikro-BHKW)
oder Fotovoltaikanlage selbst zum Erzeuger wird. Die Stadtwerke gehen
auch hier vorweg, heißt es weiter in auffälliger Kopie einer RWE-Werbebotschaft: „So sollen in naher Zukunft innerhalb des Versorgungsgebietes hundert Mikro-BKHW in Einfamilienhäusern in Betrieb gehen.“
Mit dieser Philosophie liegen die Stadtwerke durchaus auf dem Kurs
ihrer Mutter, der MVV Energie AG in Mannheim. Sie setzt, was andersherum
kaum noch vermittelbar scheint, vermehrt auf erneuerbare und dezentrale
Energieerzeugung. Aber sie warnt auch davor, die Spielregeln des
Marktes aus den Augen zu verlieren, denn jeder einzelne Energiekunde
kann seinen Lieferanten permanent neu bestimmen. Und wohl auch nicht die
der Versorgungssicherheit. So hält das Bundeswirtschaftsministerium
unverändert mindestens 17 neue große konventionelle Kraftwerke für
erforderlich, um allein die Grundlastfähigkeit der deutschen
Energiewirtschaft nach Abschaltung der Kernkraftwerke sicherzustellen.
Und welche Rolle der Preis spielt, haben die Stadtwerke am eigenen
Leib erfahren müssen. Nicht ohne Grund bezieht die Stadt ihren
ureigensten Strom für Rathaus- und Straßenbeleuchtung nicht vom Anbieter
vor Ort, sondern von den Stadtwerken Bremen.
Wolfgang Buhmann