Maritime Wirtschaft setzt auf Wind
Werften, Zulieferer und Häfen hoffen auf das Geschäft mit der Offshore-Industrie – aber das kommt nur langsam in Schwung
Kiel
Der Bau gigantischer Windparks auf dem Meer soll der maritimen
Wirtschaft volle Auftragsbücher bescheren – und Tausende neue Jobs mit
sich bringen. Aber die Konkurrenz ist groß, national wie international.
Und die noch junge Offshore-Industrie entwickelt sich nicht so schnell, wie erhofft.
Hintergrund: Bis zum Jahr 2030 sollen – so die offiziellen Planungen –
Windparks mit einer Leistung von 25 000 Megawatt vor Deutschlands
Küsten errichtet werden. Bei fünf Megawatt je Anlage macht das 5000
Rotoren.
Um diese weit draußen auf Nord- und Ostsee zum Laufen zu bringen,
müssen tief im Meeresboden Fundamente verankert und Kabel verlegt sowie
Umspannwerke errichtet werden. Mit riesigen Errichter- und
Versorgungsschiffen werden Turm, Gondel und Rotorstern aufgebaut. „Die
Schiffe müssen Fundamente in bis zu 50 Metern Meerestiefe installieren
und die Anlagen bei starkem Seegang und unter schwierigen
Wetterverhältnissen montieren“, sagt Werner Lundt, Hauptgeschäftsführer
des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg. Auch
schwimmende Hotels werden benötigt.
Aber wird der Norden davon profitieren? „Ich glaube, die großen
Serienschiffe werden nicht in Deutschland gebaut“, sagt auch Heino
Schadwald, Leiter der Kieler Geschäftsstelle des Maritimen Clusters
Norddeutschland.
Häfen nicht nur in Konkurrenz zu Niedersachsen
„Aber ansonsten wird die maritime Wirtschaft in Schleswig-Holstein enorm von der Offshore-Industrie
profitieren.“ Die Rendsburger Werft Nobiskrug baut bereits gemeinsam
mit der Schwesterwerft Abu Dhabi Mar Kiel Offshore-Plattformen.
Und die Flensburger Schiffbaugesellschaft gab Ende letzten Jahres
bekannt, dass sie in Sachen Offshore in Zukunft mit Nobiskrug
kooperieren wolle.
Von der Entwicklung profitieren werden auch die zahlreichen
Schiffszulieferer sowie mittelständische Unternehmen, die neue Offshore-Technologien
entwickeln. Zum Beispiel solche, um die Anlagen unter wie über Wasser
besser zu überwachen, zu warten und zu reparieren.
Nicht zuletzt belebt der Offshore-Markt das
Hafengeschäft. Denn Windräder und Baumaterial müssen verschifft und die
Parks kontrolliert und instand gehalten werden. So wollen die
Energiekonzerne RWE Innogy und Eon unter anderem die Insel Helgoland als
Betriebs- und Service-Stützpunkt nutzen. Das bayerische Bau-Unternehmen Max Bögl plant, in Osterrönfeld am neuen Schwerlasthafen am Nord-Ostsee-Kanal
Hybridtürme für Windräder zu produzieren und zu verschiffen. Und die
drei zur Schramm Group gehörenden Häfen in Brunsbüttel vermeldeten
gerade erst einen neuen Rekord-Umschlag. Ein wesentlicher Grund für den Erfolg: Dort werden Komponenten für On- wie Offshore-Windräder umgeschlagen, zwischengelagert und zum Teil auch vormontiert. Und das Geschäft soll weiter ausgebaut werden.
Dass diese Standorte im Wind-Geschäft sind, hat auch damit zu tun, dass die Westküsten-Häfen
seit 2010 in Sachen Offshore kooperieren, sich gemeinsam positionieren
und Dienstleistungskonzepte entwickeln. „Der Zug ist noch nicht
abgefahren. Wir sind rechtzeitig gestartet, um von der Offshore-Entwicklung zu partizipieren“, sagt Frank Schnabel, der Sprecher der Hafenkooperation.
Bau der Windparks auf dem Meer geht nur langsam voran
Dabei hatten lange fast ausschließlich Häfen in Niedersachsen und der
in Bremerhaven bei der Windbranche im Fokus gestanden. Der erste
Windpark vor Sylt wird von Dänemark aus gebaut. Auch niederländische und
britische Häfen machen den Schleswig-Holsteinern große Konkurrenz.
Und: Aufgrund großer technischer Herausforderungen und fehlender Anbindungen der Windparks an das Festland
-Stromnetz
geht der Bau auf dem Meer nur langsam voran. Branchenkenner warnen vor
überzogenen Erwartungen, sprechen inzwischen auch von einem „gestreckten
Boom“. Trotzdem gehört die Offshore
-Windindustrie zu den wichtigen Wachstumsbranchen an der Küste.
Tanja Nissen