Länder-Egoismus
Die Kanzlerin versucht, die Ministerpräsidenten bei der Energiewende auf Kurs zu bringen – die haben längst eigene Pläne
Kerstine Appunn
„Jetzt gehen wir an die Arbeit“, sagt Angela Merkel. Ach? Schon? Die
Kanzlerin und ihr neuer Umweltminister wollen sie also endlich anpacken,
die Energiewende. Eigentlich hätte das, was gestern im Kanzleramt
besprochen wurde, schon im vergangenen Jahr, spätestens nach dem
populistischen Atomausstieg der Regierung Merkel besprochen werden
müssen.
Aber besser spät als nie – nur einfacher wird es dadurch wohl kaum
werden. Denn in der Zwischenzeit ist das Vorhaben Energiewende – gelinde
gesagt – zerfasert worden. Die Länder haben ihre eigenen Konzepte zum
Kraftwerks- und Netzausbau entwickelt und wollen in diesen Bereichen
(auch wenn sie noch kaum etwas Konkretes auf die Beine gestellt haben)
jetzt natürlich gerne den Hut aufbehalten und mit eigenen Kraftwerken
oder längeren Netzen sich ihre Steuereinnahmen sichern. So ist es zu
erklären, dass Baden-Württembergs
Ministerpräsident Winfried Kretschmann eigene Windkraftanlagen
aufstellen möchte und Bayern darauf besteht, gleich fünf neue
Gaskraftwerke als Ersatz für alte Atommeiler zu bauen. Der Windstrom aus
dem Norden ist nicht erwünscht. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein
wollen die Landesregierungen hingegen so schnell wie möglich ihren
Windstromexport auf neuen Stromautobahnen intensivieren. So schnell,
dass der potenzielle Landesenergieminister Robert Habeck bereits
Bundesnetzgesellschaften gründen möchte, notfalls durch Enteignung der
Übertragungsnetzbetreiber. Auf diese Weise könnte der Föderalismus der
Energiewende tatsächlich im Weg stehen.
Dass auf einem Krisentreffen im Kanzleramt konkrete Vorgehensweisen
zur Umsetzung von Netzausbau und Solarförderung beschlossen werden, ist
wahrscheinlich zu viel verlangt. Was man aber erwarten kann, ist, dass
Bundes- und Landesregierungen endlich klare Zuständigkeiten vereinbaren.
Dazu gehört, dass die vielen Gesetze und Ideen zur Steuerung und
Finanzierung erneuerbarer Energien und dem Netzausbau grundlegend
überdacht und aufeinander abgestimmt werden. Es reicht nicht aus, nur an
einzelnen Stellschrauben wie der Solarstromförderung zu drehen, denn
dadurch werden weder die Netz- noch die Preisstabilität sichergestellt.