Claudia
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Erstellt: 23.08.12, 22:40 Betreff: Windkraft im Norden droht Ausbaustopp. WZ vom 23.08.2012
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Windkraft im Land droht Ausbaustopp
Energie-Agentur des Bundes rät zunächst von weiteren Anlagen im Norden ab
Kiel/Berlin /bg /höv
Der Ausbau der Windkraft in Schleswig-Holstein soll vorläufig gestoppt werden. Das fordert die Deutsche Energieagentur (Dena), die mehrheitlich vom Bund und der staatlichen Kfw-Bank getragen wird. „Wir dürfen künftig keine Windkraftanlagen in Regionen bauen, die nicht einspeisen können, weil die Netze fehlen“, sagte Dena-Chef Stephan Kohler gestern und nannte unter anderem Schleswig-Holstein.
Wie Kohler in Berlin vor einem Treffen mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, sei vor einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien eine „bessere Synchronisation“ mit dem Netzausbau nötig. Angesichts der sich verschärfenden Debatte über hohe Strompreise verstehe niemand mehr, „wenn wir Windräder in Regionen bauen, in denen die Anlagen bei Starkwind abgeregelt werden müssen, aber trotzdem für jede nicht eingespeiste Kilowattstunde bezahlt werden“.
Da die norddeutschen Länder „Vorreiter bei der Windkraft“ waren, seien sie inzwischen überversorgt: „Schleswig Holstein hat an Leistung aus regenerativen Quellen dreimal so viel, wie im Land selbst zu Spitzenzeiten im Winter gebraucht wird – natürlich stehen da zu viele Anlagen“, sagte Kohler. Derzeit sind landesweit Windrotoren mit einer Gesamtleistung von rund 3500 Megawatt installiert. Im vergangenen Jahr konnte erneuerbarer Strom im Wert von 20 Millionen Euro nicht genutzt werden.
Etwas verklausulierter hat auch Minister Altmaier in seinem letzte Woche vorgelegten Zehn-Punkte-Plan für die Energiewende eine Obergrenze für den Windkraftausbau im Norden ins Spiel gebracht. Es bestehe „die Sorge, dass beim Ausbau der Windenergie zu hohe Raten erreicht werden, die dann die Akzeptanz der Energieart insgesamt gefährden“, formuliert Altmaier in seinem Konzept und fordert: „Um den Aufbau von Überkapazitäten zu vermeiden, brauchen wir einen Konsens über die Frage, wie viel erneuerbare Energie – insbesondere Windenergie – in welchen Bundesländern produziert werden darf.“ Altmaiers schleswig-holsteinischer Amtskollege Robert Habeck (Grüne) lehnte die Pläne des Bundes für eine Obergrenze gestern in einer Regierungserklärung ab: „Die Deckelung von Wind onshore macht die Energiewende teurer und ist falsch“, kritisierte er. Die an Land erzeugte Windenergie sei „der Kostensenker im Konzert der erneuerbaren Energien“. Dies gelte auch, wenn nicht jede Kilowattstunde transportiert werde, weil das Netz noch nicht ausreiche. Habeck räumte ein, dass zuletzt 18 Millionen Euro an Entschädigung für Strom gezahlt worden sein, der wegen fehlender Kapazitäten nicht habe eingespeist werden können. Auch werde die Zahl der Abschaltungen künftig sogar noch steigen.
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Habeck will den Netzausbau beschleunigen
Heftige Debatte um die Kosten der Energiewende / 18 Millionen Euro für Strom, der nicht fließt
Kiel/Berlin /höv
Energieminister Robert Habeck (Grüne) will Tempo machen beim Netzausbau. „Wir kämpfen um jede Kilowattstunde, die nicht ins Netz aufgenommen wird“, sagte Habeck in einer Regierungserklärung gestern im Landtag. Weil die Kapazität der Netze nicht ausreicht, müssen vorerst allerdings Windenergieanlagen immer wieder und immer öfter abgeschaltet werden. 2010 waren Habeck zufolge 18 Millionen Euro an Entschädigungen für „abgeregelten Strom“ fällig. Ein Ende dieser Entwicklung ist offenbar nicht in Sicht: „Auch wenn wir es schaffen, beim Netzausbau den Turbo reinzukriegen, muss ehrlich gesagt werden: Wir werden aufgrund der vorliegenden Planungsdaten erhöhte Abschaltungen bekommen“, erklärte Habeck. Beschlossene Sache für Schleswig-Holstein nämlich ist bereits, die Windeignungsgebiete auf 1,5 Prozent der Landesfläche auszuweiten.
Mit einem „Bündel von Maßnahmen“ will Habeck dafür sorgen, dass Schleswig-Holstein beim Netzausbau „in die Puschen kommt“. So sei die Planfeststellungsbehörde neu aufgestellt worden. Man prüfe die Nutzung von Ersatzleitungen, um mehr Kapazität zu bekommen.
Habeck warnte zugleich davor, den Netzausbau gegen den Ausbau der Öko-Stromanlagen auszuspielen. „Selbst wenn wir deutlich mehr Strom nicht aufnehmen können, wogegen sie ankämpfen, erwächst daraus kein starkes Argument, die Energiewende nicht umzusetzen“. Adressiert war die Botschaft offenbar an Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der den Neubau von Wind- und Solaranlagen drosseln will.
CDU-Fraktionschef Johannes Callsen warf Habeck im Gegenzug „ideologisch überfrachteten Aktionismus“ vor. Er gefährde damit das Ziel einer sozialverträglichen, ökologisch und ökonomisch sinnvollen Energiewende im Lande.
Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki: „Energie darf kein Luxusgut werden.“ Die Energiewende bewirke, dass die Strompreise in naher Zukunft steigen. „Selbst wenn die hohe Einspeisung der erneuerbaren Energiequellen zu einer Absenkung des Strompreises an der Börse führt, müssen wir bekennen, dass die EEG-Umlage steigt.
Habeck dagegen warnte davor, vor allem das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für steigende Strompreise verantwortlich zu machen. Er wehre sich gegen „Scheinheiligkeit in der Debatte“. Bei den jetzigen Stromkosten sei der Skandal, dass gesunkene Börsenpreise nur zum Teil an Kunden weitergegeben würden, während Umlagen aus dem EEG als Begründung für Preiserhöhungen herhalten müssten. Zudem hätten die Preise für Strom aus Atomkraft und Kohle nie die Wahrheit über die Kosten ausgesagt, sagte Habeck:. „Legt man staatliche Förderung und nicht eingerechnete soziale und ökologische Kosten auf den Strompreis um, sind schon heute Wind und Wasser günstiger als Atom und Kohle.
Aigner provoziert Rösler
In Berlin sorgt unterdessen die geplante Kostenbeteiligung der Bürger bei Verzögerungen des Windstrom-Ausbaus in Nord- und Ostsee für Streit innerhalb der Bundesregierung. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) lehnt den Entwurf wegen unkalkulierbarer Kostenrisiken ab. Bürger sollen über den Strompreis demnach mögliche Schadenersatzzahlungen tragen für Windparks, die wegen Netzproblemen keinen Strom liefern können. Das Wirtschaftsministerium kritisierte Aigner scharf. „Die Energiewende ist gemeinsam von allen Partnern in der Koalition beschlossen worden. Vor dem Hintergrund ist die Kritik nicht nachvollziehbar“, sagte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).
Kommentar von Seite 2:
Stürmische Zeiten Die Energiewende darf nicht zum Opfer kurzfristiger wahltaktischer Überlegungen werden Helge Matthiesen So langsam wird die Sache mit der Energiewende ungemütlich. Wer nach dem Start in die grüne Energiezukunft vor anderthalb Jahren an einen Spaziergang glaubte, bekommt inzwischen täglich gezeigt, dass es alles andere als einfach werden wird. Da bringen Stromschwankungen Industrieanlagen zum Stillstand, da werden Millionen für Strom gezahlt, den keiner abnehmen kann, weil die Leitungen fehlen. Da gibt es niemanden, der notwendige Investitionen finanzieren will. Da verdienen einige wenige an üppigen Subventionen, die auch der Hartz-IV-Empfänger aufbringen muss. Außerdem ist da noch eine politisch einflussreiche Branche am Werk, die ihre Gewinne in Milliarden abrechnete und das auch gerne weiter so hätte. Den Bürgern schwant, dass es Streit geben wird. Es könnten auch die Grenzen der Machbarkeit erkennbar werden, weil sich alle Akteure einfach zu viel vorgenommen haben. Doch diese Diagnose wäre verfrüht. Hier wird gerade ein gigantischer Markt neu aufgeteilt. Entsprechend vehement wird um die Claims gekämpft. Die Begleiterscheinungen sind hinlänglich bekannt: Es gab schon immer Gutachten, in denen sich Experten als gefällige Lieferanten einer bestellten Wahrheit entpuppten. Es gibt ja in der Regel auch Experten, die das Gegenteil behaupten. Die Wahrheit liegt dann irgendwo in der Mitte und die Politik muss entscheiden, denn dafür ist sie gewählt. Hier muss man sich jedoch inzwischen echte Sorgen machen. Denn zu den Gewissheiten der aufgeregten Debatte gehört immerhin, dass am Ende der Verbraucher zahlen wird, und zwar mehr als ihm lieb ist. Das macht die Regierenden nervös, denn die Wahlen rücken näher und es wird inzwischen klar, dass die Energiewende ein gutes Thema für die nächsten Bundestagswahlen sein dürfte. Das ist ein Problem, denn das Großprojekt verträgt kurzfristige Entscheidungen nur schlecht. Derzeit werden die grundlegenden Strukturen gelegt. Die bedürfen eines gewissen Konsenses, weil sonst mindestens alle vier Jahre über die Energiewende abgestimmt wird. Das darf nicht passieren.
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