Ökostrom-Umlage: RWE-Verzicht auf Preiserhöhung bringt Stadtwerke in Bedrängnis
Kiel/Essen
Wird der Strompreis trotz der höheren Ökostrom-Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
vorerst doch nicht teurer? Der Branchenriese RWE bringt Mitbewerber mit
seiner Ankündigung, die jetzigen Tarife zunächst beizubehalten, unter
Druck. Der Essener Anbieter will bei der Grundversorgung den Preis „bis
ins Jahr 2013 stabil“ lassen. Umweltminister Peter Altmaier lobte: „Das
halte ich für einen ganz wichtigen Schritt. Ich werde Gespräche führen,
um andere zu überzeugen, sich diesem Beispiel anzuschließen.“
Die in Schleswig-Holstein starke Eon will
dies zwar nicht ausschließen, aber ebensowenig versprechen. „Maßnahmen
unserer Wettbewerber kommentieren wir grundsätzlich nicht“, sagte eine
Sprecherin der Münchner Zentrale. „Wir prüfen momentan alles, aber
können mit Aussagen noch in keine bestimmte Richtung gehen“, sagte sie.
Offenbar will man zunächst abwarten, wie sich weitere Anbieter
verhalten. Vieldeutig setzte die Sprecherin hinzu: „Der Markt gibt die
Signale.“
Die 40 Stadtwerke aus Schleswig-Holstein
stimmen wohl heute eine Marschroute ab. Bei einem Spitzentreffen der
Versorger werde die von 3,59 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde gestiegene
Öko-Umlage eine wichtige Rolle spielen, kündigte der Geschäftsführer des Verbands der schleswig-holsteinischen
Energie- und Wasserwirtschaft (VSHEW), Dieter Perdelwitz, an. Der
Organisation sind sämtliche Stadtwerke des Landes angeschlossen. Zum
Preisdruck durch RWE sagt Perdelwitz: „Es ist bei den Stadtwerken
angekommen, dass dies für das ein oder andere Stadtwerk eine nicht
einfache Situation bedeuten könnte.“ Der VSHEW-Chef
lakonisch: „Wenn Sie ein Stadtwerk kennen, das auf einer so hohen Marge
sitzt, dass es eine Erhöhung um 1,7 Cent pro Kilowattstunde nicht
weitergeben muss, wüsste ich gerne, um welches es sich handelt.“ Im
Hinblick auf die Marktmacht von RWE und einen möglichen Nachahmer Eon
Hanse meint er: „Man sollte sich auch mit der Frage beschäftigen, ob
solche Ankündigungen kartellrechtlich relevant sind.“ Auf die Frage, ob
RWE Stadtwerke existenziell in Bedrängnis bringen könnte, antwortet
Perdelwitz: „Das wäre im Einzelfall zu prüfen.“
Die Stadtwerke Kiel, mit 180 000 Stromkunden größter Anbieter ihrer Art
im Land, sehen bereits jetzt keine Spielräume, schon gar nicht
angesichts des Neubaus eines Gaskraftwerks. „Wir kommen um
Gebührenerhöhungen zum 1. Januar nicht herum“, sagte Sprecher Wolfgang
Podolske. Für einen Vier
-Personen
-Haushalt
beziffert er sie auf 60 bis 70 Euro pro Jahr. Podolske kritisiert, die
Befreiung sogar vom Export unabhängiger Unternehmen von der EEG
-Umlage
belaste Haushaltskunden zusätzlich. Es fällt uns schwer, die so
entstehenden Mehrkosten für private Haushalte und kleine sowie mittlere
Gewerbebetriebe zu begründen.“ Rainer Thomsen, Vertriebsleiter der
Stadtwerke Itzehoe, verweist darauf, dass in diesem Monat noch die
Anpassung der Offshore
-Umlage sowie der
Netzentgelte ausstehen. Erst danach ließen sich definitive Aussagen über
den künftigen Strompreis treffen. Nikolaus Schmidt, Leiter
Energiepolitik bei den Stadtwerken Neumünster, betont, sein Haus habe
zwischen 2009 und 2011 den Strompreis stabil gehalten und nicht alle
durch die staatliche Regulierung bedingten Steigerungen weitergereicht.
Zur RWE
-Ankündigung erklärt Schmidt: „Dass ein großer Konzern bei dieser drastischen Erhöhung der EEG
-Umlage
die Kosten offenbar kompensieren kann, zeigt, dass er in der
Vergangenheit möglicherweise Senkungen nicht an seine Kunden weiter
gegeben hat. Dass er für dieses Verhalten – mit Schützenhilfe aus der
Politik – auch noch kostenlosen Zuspruch und Werbung erhält, zeigt nur,
wie interessengetrieben mit dem Thema Energiewende gespielt wird. Das
ist kurzfristige Effekthascherei.“ Die Politik sei aufgerufen,
erneuerbare Energien ins System marktwirtschaftlich zu integrieren. „Nur
so schaffen wir auf Dauer eine sozialverträgliche Umsetzung der
Energiewende.“
Frank Jung