Albig erklärt Preisbremse beim Strom für unwichtig
Bund und Länder lehnen Kürzung bei bestehenden Öko-Energieanlagen ab – und vertagen Reformgespräche
Berlin
Nein, auf einen Vorschlag zum Abbremsen des Strompreises haben sich
Bund und Länder gestern nicht einigen können – doch einer freute sich
sogar darüber: Schleswig-Holsteins
Ministerpräsident Torsten Albig. „Aus norddeutscher Sicht nehme ich das
ideale Ergebnis mit nach Hause“, sagte der Koordinator der SPD-regierten
Länder nach einem Spitzentreffen der Ministerpräsidenten mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Grund für Albigs Zufriedenheit
ist die einstimmige Entscheidung der Runde, dass es weder Kürzungen bei
der Förderung von bestehenden Windrädern, Solarparks oder Biogasanlagen
geben soll noch bei in Planung befindlichen.
„Wir haben vereinbart, dass rechtlich verbindlich zugesagte
Vergütungen nicht nachträglich gekürzt werden“, verkündete Merkel nach
dem Gespräch. Das gelte auch für neue Anlagen, für die es schon
„verbindliche Verpflichtungen“ gibt. „Das sollte alle beruhigen, die
investieren wollen oder solche Anlagen betreiben“, sagte die Kanzlerin
und CDU-Chefin. Der Kieler Albig lobte: „Das ist ein gutes Signal an alle Windmüller im Norden.“
Merkels Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister
Philipp Rösler (FDP) hatten dagegen kürzlich angeregt, auch bei
existierenden Anlagen Kürzungen zu prüfen. So wollen sie verhindern,
dass der Strompreis künftig weiter rasch steigt. Albig hält dieses
Problem allerdings für überschätzt: „Es geht um eine Belastungswirkung
von monatlich 1,50 bis 2,50 Euro je Haushalt – ein solches Thema kann
nicht so wichtig sein.“ Auf keinen Fall dürfe man dafür in Kauf nehmen,
„dass eine ganze Branche zum Stillstand kommt“.
Etwas gegen den Strompreisanstieg wollen Bund und Länder dennoch
unternehmen. Denn Altmaier geht davon aus, dass die Umlage für
erneuerbare Energien (EEG-Umlage) im Herbst
dieses Jahres wegen des nach wie vor raschen Zubaus neuer Anlagen im
Extremfall sogar von 5,3 Cent auf 7,0 Cent steigen könnte und
Durchschnittshaushalte damit gleich sechs bis sieben Euro mehr auf ihrer
monatlichen Stromrechnung finden. Daher wollen die Staatskanzleichefs
der Länder bis Ende Mai mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU)
noch einmal über andere Maßnahmen für eine Preisbremse beraten.
Drei Möglichkeiten sollen dabei geprüft werden, erklärte die Koordinatorin der CDU-Länder,
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht: Erstens die
Vergünstigungen für energieintensive Unternehmen bei der EEG-Umlage, zweitens Kürzungen bei der Förderung von neuen Öko-Energie-Anlagen
und drittens eine Senkung der Stromsteuer um 25 Prozent. Letzteres
wollen vor allem die Länder, weil die Steuerausfälle voll zu Lasten des
Bundes gingen. Genau deshalb lehnt Merkel diese Forderung allerdings
auch ab: „Ich sehe da keinen Spielraum im Haushalt 2014“, sagte sie.
Einig waren sich Bund und Länder gestern dagegen schon in einem
anderen Punkt: Beim Netzausbau soll die Bundesnetzagentur die Planung
der drei Korridore für die neuen Gleichstromautobahnen von Nord- nach
Süddeutschland übernehmen. Das soll der Bundesrat am 7. Juni absegnen.
„Dann steht der Rechtsrahmen – das ist ein Fortschritt“, sagte Merkel.
Die geplante umfassende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
werde dagegen auf die nächste Wahlperiode verschoben. „Wir haben davor
nicht die Augen verschlossen“, sagte Merkel. „Aber wir haben gesagt: Das
braucht Zeit.“
Die Energiewirtschaft reagierte mit Kritik auf den Aufschub. Bund und
Länder seien ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden und hätten sich
vor strukturellen Reformen gedrückt, sagte die Chefin des
Branchenverbands BDEW, Hildegard Müller. Das sei „ein fatales Signal für
die nötige Steuerung der Energiewende“.
Henning Baethge