Das langsame Ende der Meiler
Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel stillgelegt – aber erst in 20 Jahren sind sie auch verschwunden
Kiel
Erst Brunsbüttel, jetzt Krümmel – der Energiekonzern Vattenfall will
nun auch das zweite seiner beiden Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein
stilllegen und vollständig abreißen. Den Eingang eines entsprechenden
Antrags bestätigte Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) gestern in
Kiel.
Bis der Meiler inklusive Nebengebäude zerlegt, endgelagert, entsorgt
oder recycelt ist, könnten noch bis zu 20 Jahre ins Land gehen. Am
Anfang steht ein aufwendiges Genehmigungsverfahren. Begleitet wird dies
von der Atomaufsicht in Kiel. Dann müssen die rund 1000 im Reaktor
befindlichen Brennstäbe in zwei Dutzend Castor-Behälter
verpackt werden. Weil ein Endlager noch nicht existiert, kommen die
Castoren ins Standortzwischenlager. 20 Castoren stehen dort schon,
insgesamt wäre für 80 Platz, sagte Habeck.
Sind die Brennelemente aus dem Reaktor „entladen“, können die Bagger
am größten Siedewasserreaktor der Welt anrollen. Fast 500 000 Tonnen
Abfälle dürften in Krümmel zusammenkommen. Nur ein bis drei Prozent
davon stufen Experten als belastet ein. Das wären maximal 15 000 Tonnen.
Schwach- und mittelradioaktive Stoffe sollen ins Endlager Konrad. Das
steht angeblich 2021/22 zur Verfügung.
Krümmel war nach einem Transformatorbrand im Sommer 2007 vom Netz
gegangen. Nach umfangreichen Reparaturen musste Kiel 2009 zwar eine
Wiederanfahrgenehmigung erteilen. Nur wenige Wochen später gab es wegen
einer erneuten Störung eine Schnellabschaltung. Was dann folgte war der
„Stillstandsbetrieb“ – keine Stromproduktion, doch die Mitarbeiter
blieben an Bord. Deren Expertise wird Vattenfall auch für den Rückbau
brauchen.
Das endgültige Aus für Krümmel kam mit der Atomkatastrophe von
Fukushima im März 2011. Der Landtag votierte damals einstimmig für die
Stilllegung. Besiegelt wurde die zwei Monate später von der
Bundesregierung: Krümmel darf wie Brunsbüttel und bundesweit sechs
weitere Meiler nie mehr ans Netz gehen. Auch wenn Vattenfall bei einem
internationalen Schiedsgericht in Washington noch um eine „faire
Entschädigung“ von 4,7 Milliarden Euro für entgangene Gewinne aus einem
Weiterbetrieb seiner Meiler kämpft; für Brunsbüttel stehen die Weichen
seit Jahren auf Abriss. Den Antrag hatten die Schweden schon Ende 2012
eingereicht.
Jetzt sei klar, dass Vattenfall nicht heimlich doch auf einen
Wiedereinstieg in die Atomkraft in Deutschland hofft, meinte Habeck.
Vattenfall selbst teilte mit: „Der Antrag beinhaltet keinen Verzicht auf
bestehende Genehmigungen.“ In Schleswig-Holstein ist jetzt nur noch das von E.ON betriebene Kernkraftwerk Brokdorf am Netz.
Peter Höver