Feinstaub-Alarm: Dicke Luft im Norden
Zulässige Mittelwerte werden immer häufiger überschritten /Windstille erhöht Gefahr
Kiel/kim
Eigentlich sollte alles besser werden: Immer mehr Dieselautos fahren
mit Rußfilter und in vielen Städten wurden Umweltzonen eingerichtet, um
motorisierte Dreckschleudern auszusperren. Trotzdem ist die
Feinstaubbelastung in diesem Jahr bundesweit explosionsartig
angestiegen. Auch in Schleswig-Holstein herrscht
vielerorts dicke Luft. In Brunsbüttel wurden in den ersten sieben
Monaten die zulässigen Tagesmittelwerte 16 Mal überschritten. Im
gesamten vergangenen Jahr passierte das nur drei Mal. In Itzehoe gab es
schon 17 (Vorjahr: 8) Mal Feinstaubalarm. Spitzenreiter ist die Kieler
Bahnhofstraße mit 21 (9) Grenzwertüberschreitungen.
„Der Anstieg ist enorm“, bestätigte gestern Dirk Jürgens, Referent
für Luftqualität im Kieler Umweltministerium. Schuld sei die
„Inversionswetterlage“ Anfang des Jahres. Dabei gab es keinen Austausch
zwischen der kalten Luft am Boden und der wärmeren Luftschichten in der
Höhe. Es wehte kaum Wind, der die Schadstoffe verteilt. Ein Problem, das
selbst im windreichen Schleswig-Holstein auftrat, „und zu einer ungewöhnlichen Ansammlung von Schadstoffen in der Luft führte.“
Während die Vulkanasche aus Island, die zu großen Teilen aus
Feinstaub bestand, vorwiegend in Süddeutschland die Werte in die Höhe
trieb, sorgten im Norden die Hinterlassenschaften des Winterdienstes für
Probleme. „Erstmals haben wir hohe Messwerte durch aufgewirbelten
Streusplit nachgewiesen“, berichtet Jürgens. Der Split lag wochenlang am
Straßenrand und wurde von den Autos zu Kleinstpartikeln zermalmt.
Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation zeigen, dass mit
Feinstaub belastete Luft die durchschnittliche Lebenserwartung in
Deutschland um etwa zehn Monate verkürzt. Je kleiner die Partikel, desto
höher das Risiko für Lungenerkrankungen und Herzrhythmusstörungen.
Städte, in denen die Grenzwerte 35-mal im Jahr überschritten werden,
müssen deshalb verkehrsberuhigende Maßnahmen einleiten. „In Schleswig-Holstein
ist die Gefahr nicht so groß wie in anderen Bundesländern“, beruhigt
Jürgens. „Im Land zwischen zwei Meeren weht kräftiger Wind, der die
Schadstoffe abtransportiert – besonders im Herbst“. Deshalb rechnet er
nicht damit, dass die 35 Tage-Marke im Norden
noch erreicht wird. Ausgeschlossen ist das aber nicht. „Selbst die
Waldbrände in Russland können unsere Messwerte bei entsprechender
Windrichtung noch beeinflussen“, warnt Jürgens.