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Dieser Herbst hat ausgedient. WZ vom 12.11.2008

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Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 15.11.08, 00:18  Betreff: Dieser Herbst hat ausgedient. WZ vom 12.11.2008  drucken  weiterempfehlen



Dieser Herbst hat ausgedient

Später, wärmer, grüner – der Herbst ist nicht
mehr das, was er einmal war. Schon jetzt zeigt
sich der Klimawandel an den Pflanzen.
Zwei Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes berichten, was sich in der Natur verändert hat.

Ellerhoop/Geesthacht/sh:z

– Die Süßkirsche. Für Herbert Uhl ist sie ein Zeichen. Ein Menetekel
für das, was uns aus der Luft droht. Eine Vorbotin des Klimawandels.
„Die Süßkirsche hat erst vor wenigen Tagen ihre letzten Blätter
verloren“, sagt der 78-jährige Rentner und Pflanzenbeobachter. „Das ist
später als normal. Es vollzieht sich ein grundlegender Wandel beim
Klima. Das ist schon jetzt zu merken.“


Uhl darf das sagen, er hört das Gras wachsen. Der ehemalige
Landwirtschaftsmeister aus Ellerhoop (Kreis Pinneberg) ist täglich
draußen; seit 30 Jahren meldet er dem Deutschen Wetterdienst (DWD) in
Schleswig und Offenbach, wann welche Pflanzen treiben, blühen,
verblühen, lauben. Auch die Spätapfelbäume, berichtet Uhl, haben erst
in der vergangenen Woche die Blätter abgeworfen. „Früher fiel um diese
Zeit der erste Schnee, manchmal sind wir sogar schon Schlittschuh
gelaufen.“


59 ehrenamtliche Mitarbeiter beobachten im Auftrag des DWD Austrieb,
Blüte und Reifezeit bestimmter Pflanzen, bundesweit sind es 1400. Jeden
Tag sammeln sie zwischen Burg und Brunsbüttel, List und Lauenburg
Hunderte Daten. Und schon jetzt steht fest, dass die
Vegetationsperiode, also die Zeit, in der Pflanzen wachsen können, in
den letzten 40 Jahren im Schnitt um zehn Tage länger geworden ist.
Überspitzt formuliert: Der Herbst hat ausgedient, der Winter wird zur
Verlegenheit, verdrängt von einem Frühling, der immer zeitiger loslegt.
Birken treiben bereits neun Tage früher aus als noch vor 30 bis 50
Jahren. Bei Schneeglöckchen und Forsythien hat sich die Blüte um 16
Tage nach vorn verschoben.


Beispiel Kappeln: Zwischen 1963 und 1990 endete der phänologische
Winter in der Schleistadt noch Mitte März, zwischen 1991 und 2000
bereits Mitte Februar. „Der Vorfrühling mit der Hasel als Zeigerpflanze
beginnt zwei Monate früher als noch in den 60er und 70er Jahren“, sagt
Matthias de Vries (46), Phänologe (Pflanzenbeobachter) beim DWD in
Schleswig.


Nach Überzeugung der Wissenschaftler des Forschungszentrums
Geesthacht (GKSS) wird der Norden dadurch weniger heizen müssen. Vier
Wochen weniger Ölverbrauch – für Herbert Uhl ist das eine gute
Nachricht. „Die Mineralöl-Gesellschaften
verdienen sich doch dumm und dösig“, sagt der Pflanzenkenner, der sein
Ehrenamt Ende des Jahres niederlegen wird, weil die Gesundheit es
erfordert. Die Hoffnung auf einen strengen Winter hat der 78-Jährige
noch nicht aufgegeben. „Der kommt vielleicht noch“, sagt der Mann, der
beim DWD begann, als Schleswig-Holstein die Macht des Wetters mit voller Wucht spürte: es war das Jahr der Schneekatastrophe.


Frank Höfer









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