Stelzenplattform auf Wackelpudding
Heute wird am Nordrand der Antarktis die neue deutsche Forschungsstation Neumayer III eröffnet. Der High-Tech-Bau dient Wissenschaftlern, die sich vor allem mit Fragen des Klimawandels befassen.
Antarktis/dpa
– 47 Treppenstufen führen aus der eisigen Kälte der Antarktis in ein behaglich-warmes
Eckzimmer. Es ist die „Lounge“ im ersten Stock der neuen deutschen
Forschungsstation Neumayer III, die heute offiziell eröffnet wird. Der
weitverzweigte Bau steht auf dem Ekström-Schelfeis
und wird mit diesem 157 Meter pro Jahr verschoben. Wie Vanillesoße auf
einem Wackelpudding fließt diese Platte langsam vom Rand der Antarktis
nordwärts. Zudem steigt die Oberfläche aufgrund des Schneefalls
jährlich um rund einen Meter an. „Ein Stoff, der fließt, aber auch
Beton nahe kommt“, sagt Stationsingenieur Andreas Brehme. Die Antwort
ist eine hydraulisch-hochfahrbare Stelzenplattform.
Neun Wissenschaftler und Techniker können künftig in Neumayer III
ganzjährig leben und arbeiten. Sie sollen Klimadaten sammeln, die
Konzentration von Treibhausgasen messen, das umfassende Verbot von
Nuklearversuchen mitüberwachen oder bei der Erforschung von Walen
helfen. Im Sommer ist Platz genug für weitere Forscher, die für ein
paar Wochen anreisen – mit Eisbrechern oder polartauglichen
Spezialflugzeugen. Seit wenigen Jahren ermöglicht eine internationale
Luftbrücke den Sprung vom südafrikanischen Kapstadt über russische,
norwegische oder südafrikanische Stationen bis zu Neumayer III.
Wenn die Sommerexpeditionen abreisen, bleiben neun Überwinterer für rund neun Monate allein zurück. Anders als in den U-Boot-ähnlichen
Vorgängerstationen können sie nun – soweit vorhanden – das Tageslicht
sehen. Mehrere Wochen ist es aber fast völlig dunkel, wenn die Sonne
überhaupt nicht mehr über den Horizont lugt.
Die neue belgische Antarktisstation, deren Energieversorgung nur mit
Wind und Sonne erfolgt, ist nach Ansicht der deutschen Wissenschaftler
nicht mit der Neumayer-Station III zu
vergleichen. „Die belgische Station wird nur im Sommer und dann nur von
wenigen Menschen bewohnt. Auf Neumayer III leben jedoch auch im Winter
neun Menschen, hinzu kommen häufig mehr als 30 Wissenschaftler im
Sommer und der ständige Betrieb von Observatorien“, sagt Professor
Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut
für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, das Neumayer III
betreibt. Benannt ist die Station nach dem deutschen Polarforscher
Georg von Neumayer (1826-1909).
Hans-Christian Wöste