Gemeinsame Pressemitteilung
Nichtregierungsorganisationen
präsentieren Eckpunkte für Klimaschutzgesetz NRW
Deutsche Umwelthilfe, BUND Nordrhein-Westfalen, NABU Nordrhein-Westfalen,
Germanwatch und Campact reagieren auf klimapolitisches Versagen der
Düsseldorfer Landesregierung – Breites Bündnis will
„klimapolitischen Amoklauf“ der CDU/FDP-Regierung beenden –
NRW blockiert erklärte Klimaschutzziele der Bundesregierung –
Rechtsgutachten: Neubau von Kohlegroßkraftwerken kann über Landesraumordnung
verhindert werden
Düsseldorf, 15. März. 2010:
Deutschland kann die von der Bundesregierung und der EU definierten Klimaschutzziele
nur erreichen, wenn Nordrhein-Westfalen als das Bundesland mit den weitaus
höchsten CO2-Emissionen entschlossen handelt.
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), die Landesverbände von BUND und NABU,
Germanwatch und das Kampagnen-Netzwerk Campact haben deshalb heute die
Eckpunkte für ein „Landesklimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen“
vorgestellt. Ziel der Initiative ist es, in den kommenden Monaten mit einer
breiten Kampagne die Voraussetzungen für eine grundlegende energetische Modernisierung
des Energiesystems, der Wirtschaft und der Verwaltung in NRW zu schaffen. Die
beteiligten Organisationen schlagen vor, ein entsprechendes Regelwerk nach der
Landtagswahl am 9. Mai 2010 zu verabschieden.
„Nordrhein-Westfalen
hat mittelfristig nur die Wahl, seine historisch gewachsene Industriestruktur
und die zwingenden Erfordernisse des Klimaschutzes miteinander in Einklang zu
bringen und daraus Zukunftschancen zu entwickeln oder im nationalen und
internationalen Standortwettbewerb immer weiter zurückzufallen“, sagte
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake
bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers im Düsseldorfer Landtag. Die
gegenwärtige nordrhein-westfälische Regierung habe sich dem „neuen klimapolitischen Imperativ“
bis in die jüngste Vergangenheit verweigert. Unter Hinweis auf die Ende letzten
Jahres von CDU und FDP im Düsseldorfer Landtag durchgesetzte Tilgung aller
klimapolitischen Ziele aus dem Landesentwicklungsprogramm sagte Baake:
„Die Regierung Rüttgers gerät mit
ihrem Versuch, das gerichtlich gestoppte E.on-Kohlekraftwerk Datteln mit
Gesetzgebungstricks wiederzubeleben, auch in einen unauflösbaren Widerspruch zu
den Klimazielen im Koalitionsvertrag der Regierung Merkel in Berlin“.
Die Politik der Realitätsverweigerung müsse nach der Landtagswahl abgelöst
werden von einer Politik, die von Klimaschutz nicht nur rede, sondern ihn
gerade in NRW auch in Angriff nehme.
In Nordrhein-Westfalen werde sich
entscheiden, ob Deutschland seinen Beitrag zum Erreichen der nationalen und
internationalen Klimaziele leisten kann, sagte der Geschäftsleiter des BUND
NRW, Dirk Jansen: „Mehr als ein
Drittel der Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik stammen von Rhein, Lippe
und Ruhr. Hauptverantwortlich dafür sind Kohlekraftwerke, die allein Jahr für
Jahr 170 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 ausstoßen“. Die
erklärte Absicht der Landesregierung, den Klimawandel ausgerechnet mit dem Bau
zusätzlicher Kohlekraftwerke bekämpfen und diese Linie trotz gegenläufiger
höchstrichterlicher Urteile fortsetzen zu wollen, nannte Jansen einen „klimapolitischen Amoklauf der
CDU/FDP-Regierung in Düsseldorf“. Der Widerstand an den
geplanten Kraftwerken sei allgegenwärtig und erfolgreich. Ein
Landesklimaschutzgesetz könne deshalb nicht nur dazu beitragen, die
Klimaschutzziele zu erreichen, sondern auch helfen, verloren gegangenes
Vertrauen in die Politik wiederzugewinnen.
Die an der Initiative beteiligten
Organisationen „werden das
Landesklimaschutzgesetz im laufenden Landtagswahlkampf zu einem zentralen
Baustein der Verbändeforderungen machen“, bekräftigte der
NABU-Landesvorsitzende Josef Tumbrinck. „Wir wollen mit möglichst breiter
Unterstützung vieler Gruppen und Verbände in NRW noch vor der Landtagswahl im
Mai eine Kampagne starten, um das Landesklimaschutzgesetz auf die politische
Agenda des künftigen Landtages und der neuen Landesregierung zu setzen.“ NRW sei das Schlüsselland für den
Klimaschutz in Deutschland und die Landtagswahl eine Chance, die Parteien zu
fragen, wie sie den Klimaschutz künftig glaubwürdiger anpacken wollen.
Das von den Verbänden vorgeschlagene
Klimaschutzgesetz NRW soll sicherstellen, dass die Treibhausgasemissionen in
NRW bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Um das Ziel zu
erreichen, soll das Energiesystem effizienter gestaltet und binnen vier Jahrzehnten
praktisch vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Dazu sollen
alle politischen Ebenen, angefangen von der Landesregierung bis hin zu den
Kommunen, in die Pflicht genommen werden. Die Landesregierung soll zeitnah
einen Klimaschutzplan NRW vorlegen, der nicht nur das Endziel für 2050, sondern
auch in Fünf-Jahres-Schritten Zwischenziele festlegt. Die Umsetzung soll
regelmäßig von einem Wissenschaftler-Gremium
(„Landes-Klimaschutzrat“) evaluiert und der Klimaschutzplan auf
Basis der Ergebnisse jeweils fortgeschrieben werden. Bei drohender
Zielverfehlung soll die Landesregierung verpflichtet werden, zusätzliche
Maßnahmen zu erlassen.
Die Steuerung des künftigen
Kraftwerksbaus soll insbesondere über die Landesraumordnung erfolgen, die sich
an den Zielen des Klimaschutzgesetzes NRW zu orientieren hat. Dabei geht es zum
einen um die ausreichende Sicherung von Flächen für den Ausbau der erneuerbaren
Energien und Festlegungen für eine effiziente und klimaverträgliche
Kraft-Wärme-Koppelung. Zum anderen soll eine abschließende Liste von Standorten
für Großkraftwerke raumordnerisch festgelegt werden, um damit einen Teil der
vorhandenen Kraftwerksstandorte zu erhalten, aber den Bau zusätzlicher Braun-
und Steinkohlekraftwerken auszuschließen.
Inwieweit im Rahmen eines
Landesklimaschutzgesetzes überhaupt der Bau von Kohlekraftwerken gesteuert und
letztlich verhindert werden kann, hat die Deutsche Umwelthilfe vorab in einem
Rechtsgutachten klären lassen. Der Autor der Untersuchung, der Berliner Anwalt Dr.
Remo Klinger aus der Kanzlei Geulen & Klinger, kommt zu dem
Ergebnis, dass dies grundsätzlich möglich ist. Gesetzestechnisch muss dazu in
einem Artikelgesetz das geltende Landesplanungsrecht geändert werden. Darin
können dann so genannte Ziele der Raumordnung ausgewiesen werden, die sich auf
Kohlekraftwerke beziehen. Die Aufstellung der Ziele muss in einem bestimmten
formellen Rahmen erfolgen; so muss die Öffentlichkeit beteiligt werden und das
so genannte Abwägungsgebot gewahrt bleiben. Im Ergebnis ließen sich bestimmte
Vorranggebiete in NRW ausweisen, in denen Großkraftwerke errichtet werden
dürfen, außerhalb dieser Gebiete aber nicht mehr. Rechtlich ist es nach den
Ergebnissen des Gutachtens grundsätzlich möglich, derartige Vorranggebiete auf
vorhandene Kraftwerksstandorte mit bereits laufenden Anlagen zu beschränken.
Die Raumordnung ist nach dem Klinger-Gutachten das Mittel der Wahl, um den Bau
von Kohlekraftwerken zu steuern.
In Nordrhein-Westfalen sind eine
Reihe von Großkraftwerksprojekten auf Basis von Braun- und Steinkohle geplant,
deren Realisierung dazu führen würde, dass die mittel- und langfristigen
Klimaschutzziele bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Neuanlagen schon rein
rechnerisch nicht mehr erreicht werden können.