Genehmigung für die Plattform Mittelplate ist
verlängert worden / Grüne und Linke: Das hätte das Land verhindern
müssen / Haftung ungeklärt
Kiel/Berlin
Die Grünen im schleswig-holsteinischen
Landtag sind entsetzt: Auf der Ölbohrplattform Mittelplate A vor der
Küste Dithmarschens, der einzigen deutschen Bohrinsel in der Nordsee,
darf weiter Öl gefördert werden – bis zum Jahr 2041. Das zuständige
Landesbauamt in Niedersachsen hat die Förderkonzession für den Betreiber
RWE Dea entsprechend verlängert.
Dafür hagelte es gestern bei der Opposition im Landtag heftige
Kritik. „Die Landesregierung hätte sich für einen Stopp der Ölförderung
im Wattenmeer einsetzen müssen“, meinte Marlies Fritzen von den Grünen.
Die Bohrinsel sei mit dem Schutz des einzigartigen Ökosystems nicht
vereinbar. Die Katastrophe im Golf von Mexiko, aber auch „viele
Ölverschmutzungen rund um die Bohrinseln“ in der Nordsee zeigten: „Öl
ist die Pest – wir müssen weg vom Öl.“
Auch Ranka Prante von den Linken findet: „Die Verlängerung der
Ölbohrung im Weltnaturerbe Wattenmeer ist absurd.“ Erschreckend sei
auch, „wie diese Genehmigung klammheimlich schon vor Monaten gefallen,
aber der Bevölkerung nicht bekannt gegeben worden ist“, so Prante. Mit
der Verlängerung der Konzession würden „kurzfristige wirtschaftliche
Interessen vor den Erhalt und den Schutz unserer Umwelt gestellt“. Auch
Prante hält das Festhalten an der Mittelplate angesichts der Ölpest im
Golf von Mexiko für „unverantwortlich“.
Demgegenüber weist die schleswig-holsteinische
Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) auf die hohen Sicherheitsstandards
auf der Mittelplate hin – einer künstlichen Insel mit einer
Wannenkonstruktion aus Beton, einem abgeriegelten Hafen und mehreren
automatischen Schließventilen.
Mit diesen hohen Sicherheitsstandards in der Nordsee sind die im Golf
von Mexiko nicht vergleichbar. Für die Grünen in Bund und Land ist das
aber kein Argument, beruhigt die Hände in den Schoß zu legen. „Auch in
Deutschland und Europa sind viele bereit, immer höhere Risiken
einzugehen, um an Öl und Gas zu kommen“, behauptet die Grünen-Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms, die für den
Kreis Pinneberg im Berliner Parlament sitzt. „Deshalb müssen wir heute
handeln, solange unsere einzigartige Küsten- und Meereswelt noch
existiert.“ Schließlich – so ihre Sorge – befänden sich auch in der
Nordsee mehr als 300 Erdöl- und Erdgasfelder.
„Die Haftung der Konzerne bei großen Katastrophenfällen ist
unzureichend“, stellt Wilms fest, nachdem sie das
Bundesverkehrsministerium mit einem umfangreichen Fragenkatalog
bombardiert hatte. Das Ministerium musste bei vielen Antworten passen
und einräumen, dass zentrale Fragen der Haftung sowohl im europäischen
als auch im nationalen Recht ungeklärt seien. Zwar gibt es nach Aussage
der Behörde mehrere internationale Übereinkommen, die die Entschädigung
regeln, doch die treffen nur auf Schiffsunfälle zu, nicht auf fest
verankerte Ölbohrplattformen in der Nordsee – außerhalb der deutschen
Hoheitsgewässer. Selbst bei beweglichen Förderplattformen ist unklar, ob
Schäden durch austretendes Öl durch das seerechtliche Haftungssystem
abgedeckt sind.
Wenig Hoffnung macht das Ministerium potenziell geschädigten
Krabbenfischern, Fremdenverkehrsbetrieben und Küstengemeinden, die sich
im Notfall auf maritimes Recht berufen wollen. Im Fall des Falles
müssten in Deutschland Fischer selbst klagen. Wilms: „Hinzu kommt, dass
keine Versicherungen für die Betreiber vorgeschrieben sind. Auch eine
Deckungsvorsorge – also eine Art Fonds, aus dem Entschädigungen
geleistet werden können – muss für den Schadensfall nicht vorgehalten
werden.“ Im Falle einer Katastrophe könne es also passieren, dass
entweder niemand oder der Steuerzahler haftet. Deshalb fordert die
Pinnebergerin einen europaweiten Entschädigungsfonds und eine
Versicherungspflicht für die Betreiber. Margret
Kiosz