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Claudia

Beiträge: 4532

New PostErstellt: 04.07.10, 22:11     Betreff: Re: Raumordnungsplan für die Nordsee. WZ vom 03.07.2010

White House Down [Blu-ray]
Der Kampf um Windmühlen

Geplant wird schon seit langem. Aber der Bau
von Offshore-Windparks ist schwieriger und
teurer als gedacht

Husum

Sie waren die Pioniere, die Underdogs, die Ersten. Sie waren die, die
es den Großen zeigen wollten. Neun Nordfriesen, aufmüpfig und
hartnäckig wie eh und je. Ihre Vision: Saubere Energie aus der Region
für die Region, ein Bürger-Windpark auf der
Nordsee – ohne Profitgier, ohne Akzeptanzprobleme, ohne ökologische
Folgeschäden. Mit dieser Vision sind sie losgezogen: Landwirte,
Steuerfachgehilfen, Kaufleute und Ingenieure. Innerhalb weniger Monate
überzeugten sie 8421 Bürger insgesamt fünf Millionen Euro in ihre Vision
zu investieren und sie so zu einer gemeinsamen zu machen. „Es hätte
nicht viel gefehlt“, meint Wolfgang Paulsen heute. „Dann wären wir
geflogen“.


Der Geschäftsführer der Offshore-Bürger-Windpark Butendiek GmbH schaut auf den Boden, während
er das sagt. Die Flügel sind gestutzt. Der erste Offshore-Windpark steht. Er heißt nicht „Butendiek“, sondern
„Alpha ventus“, steht nicht vor Sylt, sondern vor Borkum und ist kein
Bürger-Projekt, sondern ein gut vermarkteter
Gemeinschaftscoup der drei Energieriesen EWE, Eon und Vattenfall. Und es
sieht auch nicht so aus, als könnte „Butendiek“ bald nachziehen. Dabei
hatte der Agraringenieur Paulsen gemeinsam mit seinen acht Mitstreitern
das Bürgerprojekt „Butendiek“ bereits Anfang 2000 aus der Taufe gehoben.
Damit gehörten sie zur Speerspitze in Sachen Offshore. Genau das aber,
meint Paulsen heute, sei das Problem gewesen. „Wir waren einfach zu
schnell. Vieles würde jetzt viel einfacher gehen.“


Zum Beispiel die Suche nach einem Standort. Da es noch keine
ausgewiesenen Flächen für Offshore-Parks gab,
nahmen die Butendieker die Nordseekarte selbst zur Hand: Nicht zu weit
von der Küste durfte der Standort sein, weil das die Kosten für Bau und
Unterhaltung in die Höhe treibt. Nicht zu nah an der Küste durfte er
sein, weil das die Küstenbewohner und die Tourismusbranche auf den Plan
gerufen hätte. Netzanbindung, Infrastruktur, Schifffahrtsrouten mussten
berücksichtigt werden. Und dann waren da ja auch noch irgendwelche U-Boot Trassen in der Nordsee: Die Butendieker fragten
beim Flottenkommando nach, welche Gebiete gesperrt seien. „Das können
wir nicht sagen, das ist geheim“, lautete die Antwort. Daraufhin
versuchte man es andersherum: Welche Gebiete denn frei wären? „Das
können wir nicht sagen, das ist geheim“, lautete abermals die Antwort.
„Da blieb uns dann nichts anderes übrig als Schiffeversenken zu
spielen“, erzählt Wolfgang Paulsen. „Wir haben einfach Anträge für
bestimmte Gebiete gestellt. Zwei wurden abgelehnt, der dritte
angenommen.“


Im Dezember 2002 nach vielen Voruntersuchungen,
Umweltverträglichkeitsprüfungen, Gesprächen und Anträgen ist es soweit:
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erteilt
Butendiek die Baugenehmigung. Doch damit beginnen die Probleme erst:
Immer wieder kommt es zu Verzögerungen, wie bei der Genehmigung der
Netzanbindung. Die habe vier Jahre lang beim Umweltministerium gelegen,
weil sie zwangsläufig durch den Nationalpark Wattenmeer führt, erzählt
Hans Feddersen, Kaufmann und einer der Initiatoren von „Butendiek“. Die
Zeit vergeht, die Kosten steigen. Die staatlich festgesetzte Vergütung
von neun Cent pro Kilowattstunde scheint schon bald nicht mehr
auszureichen. Das Startkapital von fünf Millionen Euro schwindet, und
die Banken fordern den Einstieg eines Generalunternehmers, der für den
Bau und Betrieb aller Anlagen die Gesamtverantwortung übernimmt. Damit
ist das Projekt „Bürgerpark“ am Ende.


Doch die Nordfriesen geben nicht auf. Sie machen sich auf die Suche
nach einem Partner, der zu ihrer Philosophie und Vision passen könnte.
Mit der irischen Firma Airtricity meinen sie einen solchen gefunden zu
haben: Das Projekt wird verkauft, mit der Option, 50 Prozent des
Windparks nach dem Bau wieder zurückkaufen zu können.


„Aber dann“, erzählt Feddersen , „ist Airtricity selbst verkauft
worden – an den schottischen Energiekonzern Scotish Southern Energy
(SSE)“. Das zweitgrößte Energieunternehmen in Großbritannien. Auch
„Butendiek“ gehört damit zu den Großen.


Den Mitgliedern der Sylter Initiative „Gegenwind“ ist das vermutlich
ziemlich egal. Sie hoffen ohnehin auf ein Aus des Projektes. Denn sie
stören sich ganz generell an den Windmühlen, die bei guter Sicht von
ihren Stränden aus zu sehen sein werden.


Feddersen und Paulsen lächeln bei dem Thema. Sie haben schon so oft
mit und über die Initiative gesprochen, dass ihnen nicht mehr viel dazu
einfällt. Aber würden sie sich nicht auch an Windmühlen vor ihrer Nase
stören? „Nein“, sagt Feddersen. „Ja“, sagt Paulsen. Verwirrte Blicke.
„Also direkt vor der Nase würde es mich stören“, stellt Paulsen klar.
„Aber unser Park wird – ganz anders als im Nachbarland Dänemark – ja nur
winzig klein am Horizont zu sehen sein“. Überhaupt, Dänemark. „Da ist
das alles ganz anders“, schwärmt Feddersen. „Da hat man die Windparks
vermarktet und zu einer Touristenattraktion gemacht.“


Der Gegenwind kommt aber nicht nur von Sylter Bürgern, auch die
Naturschutzverbände im Land machen gegen das Projekt mobil: Ist der
Windpark schließlich in einem Gebiet geplant, das als wichtiges
Vogelgebiet gilt. Und die, so zeigen Studien, könnten unter den
Windparks stark leiden.


„Das ist aber alles auch noch nicht bewiesen“, meint Paulsen. Zudem,
so die Argumentation, schütze der Windpark ja gleichzeitig die
Meerestiere, weil Fischerei auf dem Gebiet unmöglich sei. Doch eben das
ruft den nächsten Gegner auf den Plan: Der Windpark stehe genau in einem
Hotspot der Fischer, heißt es. Feddersen muss schmunzeln. „Ob das dort
ausgerechnet ein Hotspot ist... Aber klar ist, dass die Fischer
tatsächlich Einbußen haben werden durch den Windpark.“ Und deshalb habe
man ihnen auch eine Kompensationszahlung angeboten. Als einziger
Windpark. Die „Großen“ hätten die Fischer einfach klagen – und verlieren
– lassen.


Und nicht nur das. Die großen Energie-Unternehmen
konnten auch durchsetzen, was die Butendieker lange gefordert hatten:
die Einspeisevergütung für Offshore-Energie von 9
auf 15 Cent anzuheben. „Wäre das früher geschehen, hätten wir das
Projekt wohl ohne Partner umsetzen können“, meint Feddersen. Paulsen
schaut ihn an, sinkt etwas in seinem Stuhl hinunter und sagt: „Wir waren
überall bei 90 Prozent. Nur der letzte Schritt hat immer gefehlt.“


Bei vielen anderen Windparks fehlt der allerdings auch noch. Bis auf
die zwölf Windkraftanlagen von „Alpha ventus“ steht noch nichts. Aber
das habe wohl System, vermuten nicht nur Feddersen und Paulsen, sondern
auch ein Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums. Sie haben den
Verdacht, dass die Großen zwar im Ausland bereits riesige Offshore-Parks bauen, im Inland aber noch warten, um weiter
ihre Atom- und Kohlekraft ausreizen zu können. Schon allein deswegen
würden die Butendieker mit ihrem Windpark gerne ein Zeichen setzen –
auch wenn die Vision von einst nicht mehr ganz so hell strahlt. Zur Zeit
aber warten sie wieder einmal darauf, dass „ihr“ Projekt weitergereicht
wird. Denn der schottische Energie-Konzern SSE
will „Butendiek“ nicht bauen, sondern wieder verkaufen. „Aber gebaut
wird irgendwann, das ist sicher“, sagt Paulsen.


Würde er es eigentlich wieder machen? „Ja“, sagt er tapfer. Feddersen
nickt. Und im Geiste nicken die anderen sieben Nordfriesen sicher mit.


Tomma Schröder








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